Iran: IS reklamiert Terroranschlag für sich
Veröffentlicht 4. Januar 2024Zuletzt aktualisiert 4. Januar 2024Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat den verheerenden Anschlag in der iranischen Stadt Kerman für sich reklamiert. Das erklärte die Gruppe am Donnerstag über ihre üblichen Propaganda-Kanäle. Zwei Attentäter hätten am Mittwoch anlässlich des Todestags des iranischen Generals Ghassem Soleimani während der Trauerveranstaltungen ihre Sprengstoffgürtel gezündet, hieß es in der Mitteilung.
Bei dem Anschlag nahe der Grabstätte Soleimanis wurden am Mittwoch bei zwei gewaltigen Explosionen nach offiziellen Angaben 84 Menschen in den Tod gerissen. 284 weitere Menschen seien verletzt worden, erklärte Irans Rettungsdienst am Donnerstag. Es war der tödlichste Anschlag in der rund 45-jährigen Geschichte der Islamischen Republik Iran.
Die Regierung in Teheran hatte schon zuvor von einer Terrorattacke gesprochen und für Donnerstag Staatstrauer angeordnet. Irans Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Chamenei kündigte eine scharfe Reaktion an. "Sie sollen wissen, dass diese katastrophale Tat eine harte Antwort nach sich ziehen wird", betonte der Religionsführer am Mittwoch in einer von den Staatsmedien veröffentlichten Erklärung. Auch Präsident Ebrahim Raisi verurteilte die Attacke aufs Schärfste und forderte eine entschiedene Reaktion. Teheran beschuldigte auch die USA und Israel, in den Anschlag verwickelt zu sein.
Anschlag wird international verurteilt
Die deutsche Bundesregierung verurteilte den Anschlag ebenso als Terrorakt wie der Europäische Auswärtige Dienst, die Behörde des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Die USA wiesen jegliche Verantwortung für den Anschlag zurück. "Die Vereinigten Staaten waren in keinerlei Weise beteiligt, und jegliche Andeutung des Gegenteils ist lächerlich", sagte am Mittwoch in Washington der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller. Er fügte hinzu, seine Regierung habe auch "keinen Grund zu der Annahme", dass Israel mit dem Vorfall zu tun habe.
"Ich glaube auch nicht, dass Israel hinter diesen Anschlägen steht", sagte bereits vor dem IS-Bekenntnis der Nahost-Experte Arash Azizi von der Clemson University im US-Bundesstaat South Carolina im Gespräch mit der DW. "Es gibt verschiedene Gründe, warum Israel als Hauptverdächtiger ausfällt. Erstens sucht Israel derzeit keine militärische Konfrontation mit dem Iran. Zweitens hat Israel bisher keine Anschläge gegen unbeteiligte Zivilisten im Iran durchgeführt. Es besteht zwar der Verdacht, dass Israel gezielte Anschläge auf Wissenschaftler des iranischen Atomprogramms oder Mitglieder der Revolutionsgarden innerhalb oder außerhalb des Iran ausgeführt hat. Aber bei diesen Anschlägen wurden zivile Opfer vermieden. Laut iranischen Behörden wurden bei den Bombenanschlägen am Mittwoch keine Kommandeure der Revolutionsgarden oder sonstige hochrangige Beamte getötet."
Arash Azizi ist der Autor des Buchs "The Shadow Commander" über General Ghassem Soleimani und die globalen Ambitionen des Iran. Soleimani war Mitglied der iranischen Revolutionsgarden und Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden. Im Januar 2020 wurde er bei einem US-amerikanischen Raketenangriff in Bagdad getötet.
Al-Kuds-Brigaden: Irans Arm im Ausland
Al-Kuds ist der arabische Name für Jerusalem. Diese Brigaden der Revolutionsgarden haben die Aufgabe, dem Iran nahestehende politische Gruppen im Ausland zu unterstützen - zum Beispiel gegen den islamistischen Terrorismus des "Islamischen Staats" in Syrien und im Irak. Gleichzeitig sollen die Al-Kuds-Brigaden militärische und politische Interessen des Irans in islamischen Ländern durchsetzen helfen.
Soleimani galt als wichtigster Strippenzieher iranischer Interventionen im Nahen Osten. Er konnte bei Bedarf schnell schiitische Milizen mobilisieren. Wie viel Geld die Al-Kuds-Brigaden für ihre Propagandamedien zur Verfügung haben, ist schwer herauszufinden. Sie unterstehen direkt dem Religiösen Führer und haben Zugang zu den Öleinahmen des Iran.
IS-Ableger "ISPK" verantwortlich?
Es gebe Anzeichen dafür, dass der regionale IS-Ableger "Islamischer Staat - Provinz Khorasan" (ISPK) hinter den Explosionen stecken könnte, so Arash Azizi. Diese Gruppierung ist vor allem in Afghanistan aktiv. Azizi glaubt, dass die zwei nacheinander gezündeten Bomben möglichst viele Zivilisten töten sollten: Nach der ersten Explosion hätten sich vor Ort viele Menschen ebenso wie einige Rettungskräfte versammelt, von denen dann die zweite Bombe zahlreiche in den Tod riss.
"Ein entscheidender Punkt ist: Die erste Bombe war neben einem Museum platziert, dessen Gebäude früher ein zoroastrischer Feuertempel war", erläuterte Azizi. "Der ISPK betrachtet nicht nur die Religion des Zoroastrismus, sondern auch den Iran, die iranische Kultur und nicht zuletzt das Schiitentum als größte Bedrohung für den Islam."