Iran-Proteste: Prominente Frauen zeigen Solidarität
22. November 2022Verhaftet, weil sie kein Kopftuch tragen: Die iranischen Schauspielerinnen Hengameh Ghaziani und Katayoun Riahi wurden beide festgenommen, nachdem sie von der Staatsanwaltschaft vorgeladen worden waren, um ihre "provokativen" Beiträge in den sozialen Medien und ihre Medienaktivitäten zu untersuchen.
Ghaziani und Riahi sind damit nicht allein. Immer mehr Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich stellen sich auf die Seite der Protestierenden, die im Iran einen Systemwandel fordern.
Seit gut zwei Monaten dauern die von Frauen angeführten Proteste im Iran , die das tradierte Regime anprangern, nun schon an. Begonnen hatten sie nach dem Tod der 22-jährigen iranisch-kurdischen Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei in Teheran festgenommen worden war und kurz darauf unter mysteriösen Umständen im Krankenhaus verstarb.
Starkes Symbol: Frauen legen Hijab ab
Ein wichtiger Teil der Protestbewegung besteht im Ablegen des Kopftuchs. "Das Kopftuch im Iran ist ein Symbol für die Hijab-Pflicht", meint die Frauenrechtlerin Asieh Amini im DW-Interview. "Die Islamische Republik Iran hat dieses Symbol immer für ihre Ideologie benutzt." Deshalb ist das Kopftuch heute bei vielen Iranerinnen verhasst.
Es seien zwar alle Teile der Gesellschaft an den Protesten beteiligt, so Amini, doch sie gelten als von Frauen angeführt, weil "sie die erste Gruppe waren, die nach der Revolution 1979 ihre grundlegenden und fundamentalen Rechte verloren haben."
Asieh Amini: Protestbewegung ist säkulare Revolution
Viele Menschen im Iran wollen weder die Hijab-Pflicht befolgen noch irgendeine andere Form einer religiösen Regierung haben, sagt Amini. "Das Ablegen oder das Verbrennen des Kopftuchs bedeutet, dass man sich gegen die religiöse Regierung stellt. Es bedeutet auch, dass die derzeitige Protestbewegung des iranischen Volkes eine säkulare Revolution ist."
Die iranischen Behörden beschreiben sie als "Unruhen", die von den westlichen Feinden des Irans geschürt werden.
Ghaziani, Riahi, Alidoosti: Reichweite nutzen
Immer mehr Prominente solidarisieren sich mit der Protestbewegung. Die Schauspielerinnen Hengameh Ghaziani und Katayoun Riahi sind nicht die ersten und wohl auch nicht die letzten. Die Aktivistin Amini meint, "viele Jahre lang hat die Islamische Republik Iran versucht, Prominente dazu zu bringen, sich nach dem islamischen Gesetz zu richten. Doch jetzt stellen sie sich immer mehr auf die Seite des Volkes und üben einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung aus."
Hengameh Ghaziani, Ketayoun Riahi oder Taraneh Alidoosti seien Schauspielerinnen, die Millionen von Fans haben, so Amini. Wenn sie den Hijab ablegen, wird das von Millionen ihrer Anhängerinnen gesehen - "und die können das dann unterstützen oder nachahmen."
Haare zeigen, Haltung zeigen
Vor ihrer Verhaftung hatte die 52-jährige Hengameh Ghaziani bereits angedeutet, dass sie - wie eine Reihe anderer prominenter Persönlichkeiten - von der Justiz vorgeladen worden sei. Kurz darauf veröffentlichte sie ein Video auf Instagram, in dem sie die im Iran obligatorische Kopfbedeckung für Frauen, den Hijab, abnimmt.
"Vielleicht wird das mein letzter Beitrag sein", schrieb sie am Samstag auf der Social-Media-Plattform. "Von diesem Moment an, was auch immer mit mir geschieht, sollt ihr wissen, dass ich, wie immer schon, mit dem iranischen Volk bis zu meinem letzten Atemzug zusammen bin."
Das Video, das mittlerweile nicht mehr im Netz steht, wurde in einer Einkaufsstraße aufgenommen. Es zeigt Ghaziani ohne Kopfbedeckung schweigend vor der Kamera stehen. Dann dreht sie sich um und bindet ihr Haar zu einem Pferdeschwanz.
Verhaftung kann jedem drohen
Amini betont, dass im Iran momentan viele unterschiedliche Menschen verhaftet werden, nicht nur politische Aktivistinnen und Aktivisten und Frauenrechtlerinnen. Auch "ganz normale Menschen, die auf der Straße protestiert haben, Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler, oder sogar Leute, die nur ein Gedicht oder ein Lied vorgetragen haben. Viele der Verhafteten sind Jugendliche!"
Und auch schon vor Beginn der Protestbewegung, die durch Mahsa Aminis Tod ausgelöst wurde, standen beispielsweise iranische Filmschaffende unter Druck. Die preisgekrönten Regisseure Mohammad Rasulof und Jafar Panahi befinden sich seit Anfang des Jahres in Haft. Viele weitere Künstler und Filmschaffende wie Bahram Beyzaei, Naser Taqvaei und Sousan Taslimi, die sich dem Regime widersetzten, wurden zensiert oder erhielten Arbeitsverbot, so Amini. "Sie waren die wichtigsten Wegbereiter" der derzeitigen Protestbewegungen.