Iraner wegen Massenhinrichtungen vor Gericht
10. August 2021Die schwedische Staatsanwaltschaft wirft dem heute 60-Jährigen Völkerrechtsverletzungen, schwere Verbrechen und Mord vor. Er bestreitet die Vorwürfe. Zahlreiche Zeugen und Nebenkläger haben ihn nach eigenen Angaben aber wiedererkannt. Der Iraner erschien in Begleitung von zwei Anwälten vor dem Stockholmer Gericht. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten etwa 100 Menschen gegen die Führung in Teheran.
Der Angeklagte war während der Massenhinrichtungen unter dem damaligen obersten geistlichen Führer im Iran, Ajatollah Ruhollah Chomeini, Assistent des stellvertretenden Staatsanwalts in einem Gefängnis westlich von Teheran. In der Schlussphase des Iran-Irak-Krieges (1980-1988) waren landesweit Tausende Iraner hingerichtet worden.
Nach Angaben der schwedischen Staatsanwaltschaft erfolgten die Hinrichtungen auf Befehl Chomeinis, des Gründers der Islamischen Republik, und richteten sich vor allem gegen Angehörige der oppositionellen Volksmudschaheddin. Chomeini reagierte damit auf Angriffe des bewaffneten Arms der Volksmudschaheddin auf die Staatsführung.
Nach dem Weltrechtsprinzip kann dem Beschuldigten auch in Schweden der Prozess gemacht werden. Staatsanwältin Kristina Lindhoff Carleson sagte, die Anklage sei ein wichtiges Signal, dass selbst weit zurückliegende und außerhalb des Landes begangene Verbrechen in Schweden strafrechtlich verfolgt werden könnten. Der Iraner war im November 2019 am Stockholmer Flughafen festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
Wie der schwedische Sender SVT berichtete, lockten Überlebende den Mann ins Land. Sie gaukelten ihm demnach vor, dass ihn dort Frauen, Alkohol und "eine gute Zeit" erwarteten. "Wir haben ihm eine Falle gestellt", sagte Iraj Mesdaghi dem Sender. Er gehört zu einer Gruppe von 30 Klägern. Der Aktivist und ehemalige politische Gefangene im Iran legte eine "mehrere Tausend Seiten" umfassende Mappe mit Beweisen an. Ein Urteil in dem Prozess wird für April 2022 erwartet.
Irans neuer Präsident soll auch beteiligt gewesen sein
Die Demonstranten vor dem Gericht, unter ihnen vor allem Anhänger der Volksmudschaheddin, trugen Fotos der getöteten iranischen Häftlinge und forderten Gerechtigkeit für die schätzungsweise 5000 Opfer. Sie verlangten zudem, auch den kürzlich vereidigten iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi zur Rechenschaft zu ziehen.
Menschenrechtsorganisationen werfen Raisi vor, ebenfalls an den Massenhinrichtungen beteiligt gewesen zu sein, weshalb das Thema im Iran politisch äußerst heikel ist. Im Mai hatten mehr als 150 Persönlichkeiten, darunter Menschenrechtsaktivisten, Nobelpreisträger, ehemalige Staats- und Regierungschefs sowie UN-Vertreter, eine internationale Untersuchung zu den Hinrichtungen von 1988 gefordert.
uh/jj (dpa, afp, rtr)