Irans Atomprogramm belastet Beziehungen zur EU
4. August 2004Ende 2003 hatten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens förmlich in letzter Minute eine Eskalation im Streit um das iranische Atomprogramm abgebogen, als sie Teheran zur Unterzeichnung des Zusatz-Protokolls zum Nichtverbreitungsabkommen überreden konnten. Die Iraner erklärten sich bereit, der Wiener Atomenergiebehörde IAEA unbeschränkte Kontrollen ihrer Nukleareinrichtungen zu gewähren und gleichzeitig alle Aktivitäten einzustellen, die darauf abzielten, Uran anzureichern. Im Gegenzug versprachen die Europäer, den "Fall Iran" nicht vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, sondern bei der IAEA zu belassen. Und man stellte dem Iran bei weiterem Wohlverhalten auch die Vermittlung technischen Know-hows in Aussicht, um ihm bei der friedlichen Nutzung von Atomkraft zu helfen.
Daraus ist nichts geworden: Teheran hatte verheimlicht, dass es auch nach diesem Abkommen dabei war, Zentrifugen zu bauen, die zur Uran-Anreicherung benützt werden können. Noch besteht Teheran darauf, dass es keine Pläne zur Anreicherung - und damit zur "Schließung des Brennstoffkreislaufes" - habe. Aber Misstrauen und Irritationen sind in Europa seit diesen Ankündigungen erheblich gewachsen. Gleichwohl hält man sich vorläufig mit drastischen Erklärungen oder Maßnahmen zurück. Europa will wohl erst einmal abwarten, bis die IAEA im September 2004 ihren nächsten Bericht vorlegt. Erst wenn dieser wirklich negativ ausfallen sollte, könnten die Europäer auf die Linie der USA einschwenken und zustimmen, den Fall vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen.
Washington zeigt sich überzeugt, dass es so kommen muss: Unterstützt durch israelische Behauptungen werfen die USA dem Iran seit langem vor, mit seinem Atomprogramm nicht - wie Teheran behauptet - friedliche Zwecke zu verfolgen, sondern zur regionalen Atommacht aufsteigen zu wollen. Und Washington ist auch die treibende Kraft hinter dem Versuch, die Angelegenheit vor den Sicherheitsrat zu bringen. Und das, obwohl der "Enthusiasmus" in der Sache angesichts der Entwicklungen im Irak etwas nachgelassen hat: Washington hat offenbar die Idee aufgegeben, sich als nächstes den Iran "vorzunehmen" - die Nummer zwei auf George W. Bushs "Achse des Bösen".
In Teheran ist die Frage längst zu einer Sache der nationalen Ehre erklärt worden. Umso mehr, als seit den Parlamentswahlen vom Februar der Einfluss der Konservativen stark angewachsen ist. Man taktiert aber nicht gerade geschickt dabei: Geheimniskrämerei und Drohungen, das Abkommen vom vergangenen Jahr aufzukündigen, verstärken nur den Argwohn in Europa und die Argumente Washingtons. Mit weniger könnte man sicher mehr erreichen: Den Europäern ist sehr daran gelegen, Washington zu demonstrieren, dass Diplomatie mehr nützt als Kraftmeierei. Und Europa würde sicher zu seinem Wort gegenüber Teheran stehen, das es ja auch in anderen Bereichen als Partner gewinnen möchte. Leicht wird das den Europäern aber nicht gerade gemacht.