IS will hinter Zug-Attacke stehen
18. Juli 2016Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) beansprucht den Angriff auf Zuginsassen in Bayern für sich. Der Angriff sei von einem ihrer "Kämpfer" ausgeführt worden, verkündete der IS über seine Agentur Amaq. Bei der Axt- und Messerattacke in einem Zug bei Würzburg waren am Montagabend fünf Menschen verletzt worden, zwei von ihnen lebensgefährlich.14 weitere Reisende, die sich im Zug aufgehalten hätten, seien unversehrt, ständen aber unter Schock, teilten das Polizeipräsidium Unterfranken und die Staatsanwaltschaft Würzburg mit.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, bei dem Amokläufer handele es sich um einen 17-Jährigen, der aus Afghanistan stammt. Nach ersten Erkenntnissen sei er als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Er habe seit einiger Zeit im Landkreis Würzburg gelebt, in einem Heim in Ochsenfurt. Zuletzt habe der Teenager bei einer Pflegefamilie gewohnt.
Polizei prüft islamistischen Hintergrund
Auf die Frage, ob es einen islamistischen Hintergrund geben könnte, sagte Herrmann, es habe angeblich einen "Ausruf" gegeben. Dies müsse aber noch geprüft werden. Laut einem Sprecher des Innenministeriums in München rief der Angreifer "Allahu Akbar" (Gott ist groß).
Im Morgenmagazin von ZDF und ARD sagte Herrmann, im Zimmer des 17-Jährigen sei eine handgemalte Flagge der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gefunden worden. Nun müsse geprüft werden, ob sich der junge Mann möglicherweise selbst radikalisiert habe. Derzeit würden sein Umfeld aus dem Heim und auch seine Pflegefamilie befragt. Während seines Aufenthalts in Deutschland sei er nicht auffällig geworden. Es gebe "keine besonderen Erkenntnisse" über ihn, sagte Herrmann.
Sonderkommando erschoss den Angreifer
Im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld war der Zug von einem Mitfahrenden per Notbremse gestoppt worden. Laut Herrman floh der Angreifer mit seinen Waffen. Ein in der Nähe bei einem anderen Einsatz tätiges Sondereinsatzkommando habe die Verfolgung aufgenommen. Die Polizei habe den Jugendlichen erschossen, als er auf der Flucht auch Einsatzkräfte angegriffen habe. Der Zug war auf dem Weg von Treuchtlingen nach Würzburg. Die Strecke wurde wegen des Polizeieinsatzes zeitweise komplett gesperrt.
Verletzte stammen aus Hongkong
Vier der Verletzten stammen aus Hongkong. Das bestätigte der Hongkonger Regierungschef Leung Chun-Ying. Er verurteilte den Angriff und sprach den Opfern und ihren Angehörigen sein Mitgefühl aus. Repräsentanten der Hongkonger Wirtschaftsvertretung in Berlin besuchten die Opfer im Krankenhaus in Würzburg.
Es handele sich um eine Familie und einen Freund, berichtete die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" unter Hinweis auf die Behörden in der asiatischen Wirtschaftsmetropole. Die vier Verletzten seien der Vater (62) und die Mutter (58) einer Tochter (27) und deren Freund (31) gewesen. Der Vater und der Freund hätten versucht, die anderen Mitglieder in der Gruppe vor dem Angreifer zu schützen. Ein fünfter Mitreisender, der 17-jährige Sohn, sei unverletzt davon gekommen, so das Blatt. Nach Angaben des bayrischen Innenministers war die Touristenfamilie zufällig in dem Zug unterwegs.
Der Fall erinnert an eine Messerattacke vor gut zwei Monaten in einer S-Bahn in Grafing nahe München, als ein Mann einen 56 Jahre alten Fahrgast getötet hatte. Drei weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt. Der 27-jährige Täter hatte nach seiner Festnahme wirre Angaben gemacht und war deswegen vorläufig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden.
qu/wl (dpa, rtr, afp, BR)