Islamische Lehren für die Volksseele
11. Februar 2004"Khomeini, wir sind alle Deine Soldaten" riefen Millionen von Menschen in Teheran und marschierten durch die iranische Hauptstadt. Gut ein Jahr lang ging das so, dann griffen die Reformer zu Waffen.
Die kaiserliche Dynastie brach wie ein Kartenhaus in sich zusammen, der Schah wurde vom Pfauenthron gestürzt. Die revolutionäre Geistlichkeit übernahm die Macht, eine als Gottesstaat verstandene Islamische Republik wurde errichtet. Nach 13 Jahren im Exil kehrte der damals schon greise Religions- und Revolutionsführer Ayatollah Khomeini unter dem hoffnungsvollen Jubel von Millionen von Iranern nach Teheran zurück.
Revolution auch gegen den Westen
Auch wenn Khomeini es später anders sah: Was da Ende der siebziger Jahre im Iran geschah, war zunächst eine politische und keine islamische Revolution. Die selbstherrliche Regentschaft des Schahs, eine von Korruption und Vetternwirtschaft lebende Oberschicht, die jahrelange Repression der iranischen Sicherheitsorgane und der nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik alles dominierende Einfluß des Westens - all dies hatte zu einer totalen Entfremdung zwischen Führung und Volk geführt.
Das Gefühl des kleinen Mannes, ständig für die Amerikaner und den Schah die Zeche zahlen zu müssen, hatte über die Jahre eine Verbitterung aufgebaut, die nun in politische Aktion umschlug. Dieser Widerstand musste organisiert werden, den einzigen Freiraum dafür boten während der Schah-Diktatur die Moscheen. Damit hatte die Geistlichkeit - zunächst mehr als Trittbrettfahrer denn als Antreiber - einen Fuß in der revolutionären Tür.
Fundamentalismus als Alternative
Von islamischem Fundamentalismus war da noch keine Rede. Dessen Stunde schlug erst, als die Revolution zur allgemeinen Überraschung erfolgreich war, als ein neues gesellschaftliches Konzept gefunden werden musste.
Ayatollah Khomeini bot es mit seinen islamischen Lehren an. Denn die enthielten alles, was sich die in den langen Jahren der Diktatur gequälte Volksseele wünschte: Die Ausgrenzung des als dekadent und ausbeuterisch empfundenen Westens; die Abwehr des ungläubigen Ostens - statt dessen eine Rückbesinnung auf die eigene Religion und Tradition und damit die kulturelle Basis für ein neues, ein eigenes Selbstbewußtsein. Das galt es durchzusetzen - im Inneren wie auch gegenüber dem äußeren Feind - mit Hilfe des Djihad, des 'heiligen Krieges'.
Machtsicherung à la Khomeini
Das Tempo, mit dem alle diejenigen Gruppierungen ausgeschaltet wurden, die nicht auf der Linie des Revolutionsführers lagen, war beeindruckend: Die kommunistische Tudeh-Partei und marxistische Kampfgruppen, die einen wesentlichen Anteil am militärischen Erfolg der Revolution gehabt hatten, wurden von den Revolutionsgarden zerschlagen, bevor sie überhaupt merkten, dass sie nicht mehr auf der Siegerseite standen.
Mit dem Aufbau Zentralstaat, der dem System des Schahs in nichts nachstand, brachte Khomeini die verschiedenen ethnischen Gruppen in dem Vielvölkerstaat unter seine Kontrolle. Und mit all jenen, die entweder dem alten kaiserlichen Regime nachtrauerten oder aber auf eine bürgerliche Demokratie setzten, wurde mit Hilfe der überall im Lande überbeschäftigten Hinrichtungskommandos kurzer Prozeß gemacht.
Konflikt bleibt bestehen
Bei dieser sehr blutigen Absicherung der von der islamischen Geistlichkeit repräsentierten Zentralgewalt war zunächst nicht erkennbar, dass der eigentliche nachrevolutionäre Machtkampf erst noch bevorstand: Nämlich der zwischen einem radikalen islamischen Lager und einer Fraktion von eher gemässigt-konservativen Mullahs und Ayatollahs. Denn denen war politischer Pragmatismus und damit eine vorsichtige, vor allem von wirtschaftlichen Interessen geleitete Wiederannäherung an den Westen nicht fremd. Dieser Machtkampf ist bis heute nicht entschieden.