Seelsorge statt Sicherheit
25. März 2014Kurz bevor Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und zwei Vertreter der islamischen Verbände (Artikelbild) vor die Presse treten, muss ein Fotograf noch schnell seine Kameratasche wegräumen. Diese behindere im Notfall den Fluchtweg, erklärt ein Sicherheitsbeamter ernst. Dabei herrscht so große Einigkeit zwischen den drei Männern, die wenig später vor die Kameras treten, dass es kaum vorstellbar ist, einer von ihnen könnte aus dem Raum stürmen: Man habe einvernehmlich und im Dialog das Programm und das Format für die Neuausrichtung der Islamkonferenz beschlossen, erklärt de Maizière: "Die Deutsche Islamkonferenz soll ein großes Gesprächsforum mit dem Islam und für den Islam in unserer Gesellschaft sein." An seiner Seite nicken Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) und Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) und lächeln breit.
Als erstes Schwerpunktthema werde sich die Islamkonferenz mit der Wohlfahrtspflege für Muslime beschäftigen, erklärt de Maizière. Der Kreis der über 65-Jährigen sei inzwischen die am schnellsten wachsende Gruppe unter den Muslimen in Deutschland. Es werde auch untersucht, "ob und wie" ein religiöser Wohlfahrtsverband nach dem Vorbild von christlichen Verbänden - etwa Diakonie und Caritas - entstehen könnte. Allerdings mit offenem Ende: Das sei ein "anspruchsvolles Vorhaben", so der Minister. Als zweites großes Thema werde sich die Konferenz mit der Seelsorge in staatlichen Institutionen wie Gefängnissen, Polizei und Bundeswehr beschäftigen.
Weniger Außendarstellung
Islamische Verbände leisteten schon seit Jahrzehnten Dienste im Bereich der Wohlfahrt und Seelsorge, betont Alboga vom DITIB. Die Islamkonferenz biete jetzt die Chance, an einem partnerschaftlichen Verhältnis mit dem Staat zu arbeiten. Auch Mazyek lobte die Neuausrichtung: Mit dieser Agenda werde der Islam in Deutschland nicht mehr in den Kategorien "Zuwanderung, Bringschuld, Sprachtest oder dem ausgeleierten Begriff der Integration verhandelt und besprochen". Stattdessen gehe es nun um Teilhabe, so der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime. Jetzt gehe es darum, sich zu fragen: "Was geben die Muslime für ihr Land und was kann der Staat tun, das konstruktiv zu begleiten?"
Die Islamkonferenz soll sich nach Aussagen des Innenministers in Zukunft mehr auf die Arbeit und weniger auf die Außendarstellung konzentrieren. Trotzdem solle sie nicht entpolitisiert werden. In der Vergangenheit ist die 2006 ins Leben gerufene Islamkonferenz häufig auch von Islamverbänden heftig kritisiert worden, immer wieder kam es zu Austritten von Verbänden und Einzelpersonen. Bemängelt wurde, das Innenministerium unter de Maizières Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU) habe Sicherheitsthemen zu stark in den Vordergrund gerückt. De Maizière hatte deshalb in den vergangenen Monaten mit neun Islamverbänden über eine Neuausrichtung beraten.
Von christlichen Verbänden lernen
Zukünftig werde es einen Lenkungsausschuss geben, in dem Vertreter des Innenministeriums, der Integrationsbeauftragte des Bundes, die islamischen Verbände, aber auch die Kommunen vertreten seien, erklärte de Maizière. Das Gremium solle wiederum einen Arbeitsausschuss einsetzen, in dem sich 20 bis 25 Personen, darunter auch Einzelpersonen und Vertreter von christlichen Verbänden, beraten. Diese sollten von ihren Erfahrungen, etwa von der Arbeit in sozialen Brennpunkten, berichten. Vielleicht "tut es auch ganz gut, wenn der christlich-muslimische Dialog gefördert wird", so der Innenminister. Es werde aber trotzdem eine öffentliche Sitzung der Islamkonferenz geben - voraussichtlich im Herbst -, um Impulse aus der Gesellschaft aufzunehmen.
In Zukunft wollten sich die Islamverbände auch besser untereinander austauschen, betonen Alboga und Mazyek auf Nachfrage. De Maizière lächelt süffisant: Er habe keine Mediationsausbildung - und hoffe, dass er auch in Zukunft keine brauchen werde. Die drei Männer lachen laut und stellen sich dann für die Fotografen dicht nebeneinander.