Israel weitet Angriffe aus
13. Juli 2006Die israelische Armee hat ihre Militäroperationen im Libanon am Donnerstagmorgen verstärkt und auf die Hauptstadt Beirut ausgeweitet. Mindestens 31 Libanesen seien bei Luftangriffen getötet worden, teilte die Polizei mit. Unter den Opfern seien auch zehn Kinder unter 15 Jahren. Mindestens 20 weitere Menschen wurden bei den Angriffen auf mehrere Ortschaften verletzt.
Hauptquartier der Hisbollah im Visier
Die israelische Luftwaffe bombardierte am Donnerstagmorgen den Süden Beiruts. Sie flog Attacken auf das Stadtviertel Haret Hreik, wo sich das Hauptquartier der schiitischen Hisbollah-Miliz befindet. Dabei wurde den Angaben zufolge der Sitz des Hisbollah-Fernsehsenders El Manar getroffen.
Zuvor hatten Kampfflugzeuge den internationalen Flughafen angegriffen und zwei Landebahnen mit Raketen beschossen. Die libanesische Armee habe mit Luftabwehrgeschützen auf die Flugzeuge geschossen. Der Flughafen wurde bis auf weiteres geschlossen.
Blockade des Libanon?
Verletzte habe es nicht gegeben, berichteten Flughafenmitarbeiter. Berichte über das Ausmaß der Schäden an den Start- und Landebahnen lagen zunächst nicht vor. Es waren aber deutliche Spuren der Einschläge zu sehen. Über dem Flughafen stand eine schwarze Rauchsäule. Der Flughafen von Beirut liegt im Süden der libanesischen Hauptstadt, der als Hochburg der Hisbollah gilt.
Israel plant nach einem Medienbericht sogar eine vollständige Blockade des Libanon. Wie der Armeerundfunk am Donnerstag unter Berufung auf Militärkreise berichtete, soll das Nachbarland von der See, aus der Luft und über Land abgeriegelt werden. Damit solle der Druck auf die Regierung erhöht werden, die Kontrolle über den Südlibanon wiederzuerlangen, hieß es.
Die radikalislamische Hisbollah-Miliz feuerte in der Nacht nach eigenen Angaben 20 Katjuscha-Raketen auf Nordisrael ab. Eine israelische Armeesprecherin bestätigte, außer in der Stadt Naharia seien unter anderem Raketen in der Nähe der Stadt Rosch Pina sowie in der Ortschaft Mischmar Hajarden eingeschlagen. Im Vergleich zu früheren Angriffen seien die Raketen "sehr tief" in Israels Gebiet niedergegangen. Sie sprach von etwa 15 Katjuscha-Raketen, die Ziele in Israel trafen. Medien berichteten, die Geschosse seien bis zu 25 Kilometer südlich der Grenze niedergegangen. Einwohner in weiten Teilen Nordisraels waren weiter aufgerufen, in Schutzräumen zu bleiben.
Außenministerium in Gaza beschossen
In der Nacht hatten israelische Kampfflugzeuge bereits in Gaza das Außenministerium der von der Hamas geführten Palästinenserregierung mit Raketen angegriffen. Dabei wurde das Gebäude teilweise zum Einsturz gebracht, mindestens 13 Menschen im Umkreis wurden verletzt. Die israelischen Streitkräfte erklärten, sie hätten das Außenministerium gezielt angegriffen, weil es von der radikalislamischen Hamas zur Planung von Terroranschlägen benutzt worden sei.
Der palästinensische Außenamtssprecher Taher al Nunu warf Israel "organisierten Terrorismus" vor, der sich gegen das gesamte palästinensische Volk richte. Ziel sei es, alle Regierungsinstitutionen der Palästinenser nacheinander auszulöschen, um ihnen die Funktionsfähigkeit zu rauben. Beim Einschlag der Bombe stieg ein Feuerball und anschließend dichter Rauch zum Himmel auf. Die drei oberen Etagen des neunstöckigen Ministeriums wurden zerstört. Laut Al Nunu hielten sich zum Zeitpunkt des Angriffs keine Menschen in dem Gebäude auf. Allerdings wurde die Umgebung in Mitleidenschaft gezogen.
Entführungen Auslöser für Angriffe
Die israelische Armee war am Mittwoch erstmals seit ihrem Rückzug im Jahr 2000 in den Südlibanon eingerückt, nachdem Milizionäre der radikalislamischen Hisbollah am Morgen zwei israelische Soldaten aus Nordisrael verschleppt hatten. Bei der Militäraktion wurden bisher acht israelische Soldaten getötet. Drei der israelischen Soldaten seien bei einem Überfall durch Hisbollah-Milizionäre getötet worden, bei dem zwei ihrer Kameraden entführt wurden, sagte eine Militärsprecherin. Vier Soldaten seien ums Leben gekommen, als ihr Panzer auf eine Mine fuhr, ein weiterer sei von Hisbollah-Kämpfern erschossen worden, als er versucht habe, die Leichen der Vier zu bergen.
Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat die Regierung in Beirut, in der die Hisbollah mit zwei Ministern vertreten ist, für die Verschleppung der Soldaten verantwortlich gemacht und schmerzhafte Konsequenzen angekündigt.Die libanesische Regierung wies am Abend die Verantwortung für die Verschleppung der israelischen Soldaten zurück. Gleichzeitig forderte Informationsminister Ghasi Aridi eine Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrates. Frankreich unterstütze die Forderung des Libanon. Außenminister Philippe Douste-Blazy verurteilt die israelischen Angriffe als "einen unverhältnismäßigen Kriegsakt". Dabei kritisierte er vor allem die Bombardierung des internationalen Flughafens der libanesischen Hauptstadt Beirut am Donnerstag. "Der Flughafen eines vollkommen souveränen Landes, eines Freundes von Frankreich, ist mehrere Stunden lang bombardiert worden. Dies ist eine unverhältnismäßige Kriegshandlung", sagte Douste-Blazy dem Radiosender Europe 1.
Annan verlangt Freilassung der Soldaten
Die internationale Gemeinschaft forderte die Freilassung der verschleppten Soldaten und warnte vor einer schweren Krise im Nahen Osten. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Frederick Jones, machte Syrien und den Iran für die Verschleppung verantwortlich und forderte die "bedingungslose Freilassung". UN-Generalsekretär Kofi Annan verlangte die Freilassung der Soldaten, verurteilte aber zugleich die israelische Offensive im Libanon. (stl/sam)