Sderot unter Beschuss
11. Juli 2014"Die Hamas-Regierung greift uns an. Für die Bewohner Gazas fühle ich im Moment gar nichts. Wenn sie in Frieden leben wollen, müssen sie ihre Regierung ändern." Kogan Baruch lebt in der israelischen Stadt Sderot, die nur einen Kilometer von der Grenze zum Gazastreifen entfernt liegt. Der 56-Jährige ist einer von 24.000 Bewohnern, die zurzeit in ständiger Angst vor der nächsten Rakete leben.
Baruchs Farbenfabrik, die er 30 Jahre lang geleitet hatte, ging vor zwei Wochen in Flammen auf - sie wurde von zwei Raketen getroffen, die das Abwehrsystem "Iron Dome" nicht aufhalten konnte. Mitgefühl für die Menschen im Gazastreifen hat er nicht.
Zerstörerische Raketen
Nach jüngsten palästinensischen Angaben gab es bisher mindestens 103 Tote im Gazastreifen. Unter den Toten waren mindestens 18 Kinder und zwei Journalisten. Mehr als 700 Palästinenser seien seit Beginn der israelischen Angriffe verletzt worden. Genauere Zahlen über israelische Luftangriffe auf Gaza sind schwieriger zu bekommen: Laut der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) liegt die Zahl bei etwa 1000. Aus dem Gazastreifen gingen seit dem Start der israelischen Offensive am Dienstag (08.07.2014) insgesamt 460 Raketen auf den jüdischen Staat nieder. 121 davon konnte das Raketenabwehrsystem "Iron Dome" abhalten.
Allein während des DW-Interviews mit Baruch, wurden zwei Raketen fast direkt über seiner völlig zerstörten Fabrik abgewehrt. 30 Menschen arbeiteten hier gerade. Baruch hat geschworen, seine Fabrik und sein Unternehmen in Sderot wieder aufzubauen. Er ist für den Einmarsch in den Gazastreifen, auch wenn er sich nicht sicher ist, ob der etwas bringen wird. "Alle vier, fünf Jahre geht unser Militär da rein und entfernt all diese Terrornester, schmeißt die ganze Munition raus und dann sammeln sie sich wieder. Es hört nie auf", sagt Baruch.
"Das Leben hat sich verändert"
In der Nähe des Stadtzentrums von Sderot sind viele Kräne in der Skyline zu sehen. Bürgermeister Alon Davidi erzählt, dass 500 neue Wohnungen gerade gebaut werden. Immer mehr Menschen würden nach Sderot ziehen. "In Sderot lieben wir die Menschen. Hier sind wir ein Mikrokosmos von religiös, nicht-religiös, jung und alt", so Davidi. Aber das Leben in Sderot ist diese Woche ruhig. Die Bewohner bleiben zuhause, die Schule fällt aus und die Läden und Restaurants bleiben geschlossen. "Seit mehr als einem Jahrzehnt leben die Menschen in Unsicherheit", erklärt Noam Bederin, der auch hier wohnt. "Aber nun ist es hier wirklich eine angespannte Zeit."
Dov Dracheman, ein 22 Jahre alter Student, erzählt von seiner verschobenen Abschlussprüfung. Wegen der Anspannung und der Raketenangriffe "sind wir alle hier übermüdet." Dracheman fügte hinzu, dass mehr Raketen auf Israel abgeschossen werden, als bei dem letzten Feuergefecht zwischen Gaza und Israel im November 2012. "Das Leben hat sich verändert. Die Leute gehen jetzt kaum noch aus dem Haus, sie haben Angst." Er habe Mitleid mit den unschuldigen Opfern im Gazastreifen, da viele überhaupt keine Verbindung zur Hamas hätten.
"Wer sich mit Israel anlegt, wird dafür bezahlen"
Major General Uzi Dayan ist der stellvertretende Stabschef der Israelischen Streitkräften (IDF). Er glaubt, die einzige Lösung sei, wieder in Gaza-Streifen einzumarschieren - auch wenn der Einsatz Monate oder sogar Jahre dauern sollte. Er gibt zu, dass die Mission viel kosten könnte und erwartet auch nicht, dass der Einsatz den Terrorismus völlig auslöschen wird. Laut Dayan könne Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas die Lücke in Gaza vermutlich füllen, wenn die Hamas verschwindet. Er denkt aber auch, dass es nicht von Bedeutung sei, wer an der Spitze steht: "Wer sich mit Israel anlegt, wird dafür bezahlen."
Auch Sderots Bürgermeister Alon Davidi findet, dass Israels Streikräfte alles tun sollten, um die Hamas zu zerstören. "Die israelische Armee kann das schaffen. Ich hoffe, sie hören nicht auf, bevor der Job getan ist. Wenn die Armee ein Jahr lang in Gaza bleiben muss, soll sie eben da bleiben."