Israelische Sperranlage vor Gericht
24. Februar 2004Ist es ein Zaun? Oder eine Mauer? Rein optisch ist die Frage einfach zu beantworten - es ist sowohl ein Zaun als auch eine Mauer, über mehr als 600 geplante Kilometer mal so, mal so. Trotzdem macht es einen großen Unterschied, ob man die im April 2002 ins Leben gerufene Sperranlage zwischen Israel und dem Westjordanland als Zaun oder als Mauer bezeichnet. Dem israelischen Botschafter in Berlin, Schimon Stein, war es unlängst in einem Interview mit dem deutschen Sender ARD wichtig, dies zu betonen. "Sie haben zunächst von dem Anti-Terror-Zaun gesprochen", sagte er und fügte hinzu, "bleiben wir bei dieser Beschreibung und nicht bei der Beschreibung Mauer, denn in Deutschland ruft eine Mauer Erinnerungen hervor."
Illegale Zementlieferungen
Es geht hier nicht nur um reine Begrifflichkeiten. Denn diese neigen dazu, zumindest indirekt entweder die eine oder die andere Konfliktpartei zu unterstützen. In der Tat ist die israelische Barriere oder Sperranlage - um mehr oder minder neutrale Begriffe zu benutzen - mittlerweile derart umstritten, dass sie viele Probleme und Konfliktbereiche des Nahen Ostens überschattet und sogar den Internationalen Gerichtshof auf den Plan ruft. Demonstranten in europäischen Hauptstädten marschieren mit Styropor-Nachbildungen in Originalgröße jenes Abschnittes der Anlage, der wie eine Mauer gebaut ist. Und zu allem Überdruss wird auch noch der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia beschuldigt, mit illegalen Zementlieferungen an Israel gerade jenes Projekt zu unterstützen, das er öffentlich kritisiert.
Schlimme Folgen
Selbst eine nach eigenem Selbstverständnis rein humanitäre Organisation wie das Internationale Rote Kreuz sieht sich wie selten sonst dazu gezwungen, zur Politik der israelischen Regierung Stellung zu nehmen. So meinte beispielsweise der Sprecher der Organisation in Jordanien, Moain Kessis, er mache sich Sorgen wegen der humanitären Konsequenzen des Zauns. Er hindere die Palästinenser am Zugang zu Wasser, medizinischer Pflege und Bildung. Genauso schneide er sie von ihren Einkommensquellen ab, ihren Feldern und Arbeitsstellen.
Die Sperranlage wird nur dreimal täglich für eine halbe Stunde für Passierende geöffnet - teilweise zu ungünstigen Zeiten. Etliche palästinensische Dörfer auf der westlichen Seite der Barriere sind somit mehr oder minder von Feldern und von adäquater Versorgung aus den größeren palästinensischen Städten jenseits der Sperranlage abgeschnitten. Das Internationale Rote Kreuz schätzt, dass mehrere Hunderttausend von zwei Millionen im Westjordanland lebenden Palästinensern unter den Folgen des Projekts leiden.
Rechtsfragen
Abgesehen von den humanitären Auswirkungen geht es bei der Auseinandersetzung um die israelische Sperranlage um die Frage, ob ihr Verlauf rechtmäßig ist. Denn dieser überschreitet an manchen Stellen in erheblichem Maße die so genannte grüne Linie zwischen Israel und dem palästinensischen Autonomiegebiet. Kritiker der Barriere befürchten, dass Israel mit dem Bau der Anlage eine neue Realität schaffen will, indem es das Westjordanland faktisch in zwei Teile teilt. Auch hier spiegelt sich die Debatte zwischen Ablehnern und Befürwortern in einer Diskussion um Benennungen wieder. Ist der Verlauf der Sperranlage politisch? Versucht er also, Friedensverhandlungen zuvorzukommen und die Visionen einiger Politiker als unverrückbare Tatsachen zu "zementieren"? Botschafter Stein sagt: "Der Verlauf ist eigentlich nicht ein politischer Verlauf, … … sondern ein Verlauf, der auf die Sicherheitsbelange Rücksicht nehmen will. Ich glaube, wir werden alles tun - und es finden bei uns ständig Gespräche dazu statt -, um den Verlauf so zu gestalten, dass er erstens Rücksicht auf die Sicherheit und nicht auf die Politik nimmt, zweitens auf die Belange der Palästinenser."
Abbau geplant
Israelische Politiker betonen außerdem, es gehe nicht um die Besetzung palästinensischer Gebiete, die Anlage soll nach einer Friedensregelung wieder abgebaut werden. Mit Sicherheitsbelangen ist vor allem gemeint, dass es palästinensischen Terroristen durch die Barriere unmöglich wird, nach Israel zu kommen. Kritiker der Sperranlage bezweifeln jedoch die Wirksamkeit dieser Methode, da sich durch den gewählten Verlauf neuerdings mehrere hunderttausend Palästinenser faktisch auf israelischem Territorium befinden.
Mit der Frage der Rechtmäßigkeit beschäftigt sich seit diesem Montag (23.2.2004) der Internationale Gerichtshof in Den Haag im Auftrag der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN). Seine Entscheidungen sind jedoch für die beteiligten Konfliktparteien unverbindlich.