Ist Fairtrade wirklich so fair?
27. März 2023Saftige Rosenäpfel, Guaven und Orangen - das sind nur drei der 45 Fruchtarten, die Jairo de Souza Rios auf seinem Land anbaut. 3,6 Hektar Land umfasst seine Farm, die wie ein kleines Paradies für Liebhaber von saftigen biologisch angebauten Früchten scheint. Doch für den Kleinbauern bedeutet sein Land vor allem harte, gering bezahlte Arbeit - trotz Fairtrade-Zertifikat.
De Souza Rios besitzt seit dreizehn Jahren das Zertifikat, das einen fairen Preis für Bauern verspricht und die Lieferkette komplett zurückverfolgen lässt. "Zuletzt war der Preis nicht mehr fair", sagt aber der 39-Jährige, der mit seiner Frau Evelyn auf der Farm lebt und sich wünscht, mit ihr Kinder zu bekommen. Es bleibe nur sehr wenig Geld fürs Leben übrig, erklärt De Souza Rios. Für ihn sei es wichtig, biologischen Anbau zu betreiben. Doch der geringfügig höhere Preis für Bio-Orangen als der für konventionell angebaute Orangen lohne sich kaum.
Jairo de Souza Rios organisiert sich mit 79 anderen Mitgliedern in der Kleinbauern-Kooperative Coopealnor. Die Bauern ernten die Orangen, die die Kooperative dann gemeinsam mit dem Betrieb Tropfruit zu Orangensaftkonzentrat verarbeitet und unter anderen an die europäische Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt ( GEPA) verkauft. Die Kleinbauern entscheiden dabei selbst, ob sie biologischen oder konventionellen Anbau betreiben - die GEPA kauft beide Qualitäten. Für eine Tonne konventionelles Konzentrat zahlt die GEPA zuletzt 2315 US-Dollar, für Bio-Orangensaftkonzentrat 3900 US-Dollar pro Tonne. Das Geld wird dann unter den Bauern aufgeteilt. Zusätzlich gab es zuletzt eine Prämie, nämlich 250 Dollar pro Tonne konventionelles Konzentrat und 350 Dollar für das Bio-Konzentrat. Allerdings gehen diese zusätzlichen Einnahmen nicht direkt an die Kleinbauern, sondern werden in Gemeinschaftsprojekte investiert.
Kleinbauern, die biologisch anbauen, bekommen also am Ende mehr Geld als konventionell arbeitende Bauern - doch wirklich rechnen würde sich das nicht, erklärt Jairo de Souza Rios. "Was mich als Biobauern 20 bis 30 Arbeitstage kostet, würde mich als konventioneller Bauer weniger als einen Tag Arbeit kosten", sagt der Brasilianer und blinzelt gegen die Sonne. Er habe einen Traktor, für den Bio-Anbau müsse er aber das meiste mit der Hand machen. Heute zeigt das Thermometer 31 Grad im Schatten an, in der Sonne ist es noch heißer.
Zu geringer Ertrag bei Fairtrade-Orangen
Nelson Borges da Cruz' Farm befindet sich nur wenige Fahrminuten von der seines Kollegen entfernt. Der 75-Jährige kann von der Produktion seiner Fairtrade-Bio-Orangen nicht leben. "Das Geld, das ich verdiene, hilft nur, die Farm instand zu halten", erklärt er. Er überlebe nur durch seine zusätzliche Rente. Borges da Cruz' Farm ist 3,5 Hektar groß - doch seine Produktion sehr gering. Auch weil die Farm schon sehr alt sei.
Konventioneller Anbau könnte ihm vielleicht helfen, seinen Ertrag zu vergrößern. Doch er ist von biologischem Anbau überzeugt und will keine Pestizide benutzen. "Wenn ich durch mein Feld laufe, habe ich keine Angst vor Verunreinigung. Ich kann Orangen essen, Jack-Frucht, Kokosnuss", erklärt Borges da Cruz. "Wir helfen mit unseren Früchten, alle gesünder zu machen."
Kostenanstieg um bis zu 80 Prozent
Nicht weit entfernt von den beiden Farmen befindet sich der Hauptsitz der Kooperative, in der Tausende von Orangen gerade von Maschinen und Menschen sortiert werden. Dort unterhält sich der administrative Koordinator der Genossenschaft Aldo Souza mit seinen Kollegen. Er steht im direkten Austausch mit der GEPA, die ihren Hauptsitz in Deutschland, im nordrhein-westfälischen Wuppertal hat.
Prinzipiell ist Souza zufrieden mit dem Fairtrade-Zertifikat, fordert nun aber auch höhere Preise von der GEPA. "Der Minimumpreis ist zu gering für uns, weil die Produktionskosten gestiegen sind. Mit dem Preis, den wir aktuell bekommen, ist das Einkommen unserer Familien gesunken. Also brauchen wir Kompensation, um das zu verbessern", erklärt er.
Durch den Krieg in der Ukraine und die Inflation ist der Wechselkurs zum US-Dollar enorm gesunken. Und die Ausgaben, die die Farmer vor der eigentlichen Produktion reinstecken müssen, um bis zu 80 Prozent gestiegen, sagt Souza. Wirklich leben könnten vor allem die Kleinbauern mit wenig Land aktuell nicht von den Fairtrade-Preisen.
Einige Farmer müssten sogar weitere Jobs annehmen, um zu überleben, sagt Souza. Und es herrsche Landflucht unter den Kindern, weil die Farmen nicht zum Überleben ausreichen.
2023 kauft die GEPA gar kein Orangensaftkonzentrat
Die DW konfrontierte die GEPA per E-Mail mit den Aussagen der Kleinbauern. Einer Anpassung des Preises stehe nichts im Wege, antwortete die Fairtrady-Company. Dieser neue Preis werde gemeinsam mit der Kooperative verhandelt werden und ab 2024 gezahlt werden. Denn 2023 kauft die GEPA den Kleinbauern sogar gar kein Orangensaftkonzentrat ab. "In diesem Jahr können wir leider aufgrund gesunkener Absätze nicht bei Coopealnor einkaufen. Zum Hintergrund: In den vergangenen Jahren konnten pandemiebedingt nicht so viel Orangensaft und Limonade verkauft werden. Es ist noch Orangensaftkonzentrat eingelagert", schreibt die GEPA.
Die Kooperative teilte der DW mit, dass die GEPA sie darüber schon 2022 informiert habe. Deswegen habe sie sich nun breiter aufgestellt und noch weitere zusätzliche Abnehmer für ihr Orangensaftkonzentrat gefunden. Die beiden Kleinbauern Nelson Borges da Cruz und Jairo de Souza Rios werden derweil weiter um ihr Überleben kämpfen. Nelson Borges da Cruz formuliert seinen Wunsch für die Zukunft klar: "Ich möchte mehr produzieren und mehr Geld verdienen. Ich möchte ein besseres Leben für mich und meine Familie."
Der Artikel wurde am 4.4.2023 aktualisiert um die Zahlung zusätzlicher Prämien durch die GEPA.