1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

Ist Griechenland bereit für die Waldbrandsaison?

23. Juni 2022

75.000 Hektar Wald verbrannten 2021 in Griechenland. Die Regierung räumte Versäumnisse ein. Mit der Hitze kommen nun auch die ersten Feuer 2022. Ist das Land nun besser auf Waldbrände vorbereitet?

https://p.dw.com/p/4D89P
Griechenland | Waldbrandbekämpfung
Üben für den Ernstfall - die Freiwillige Feuerwehr in Griechenland bereitet sich auf einen heißen Sommer vorBild: Florian Schmitz/DW

"Aus dem Handgelenk!" - "Jetzt den Strahl umstellen!" Konzentriert bedient Katerina Kaglia den Löschschlauch und lenkt den Wasserstrahl auf einen Baumstamm. Neben ihr steht Stavros Salayiannis, Einsatzleiter der Freiwilligen Feuerwehr im griechischen Vyronas, und gibt Anweisungen. Alles muss schnell gehen, jeder Handgriff muss sitzen.

Noch sind es Übungen, in denen verschiedene Szenarien simuliert werden. Doch die für den Monat Juni ungewöhnlich hohen Temperaturen haben die Erde überall in Europa aufgeheizt. Den Griechinnen und Griechen sitzt der Schock der verheerenden Feuer von 2021 sowie die Brandkatastrophe von Mati im Jahr 2018 noch in den Knochen. Dort waren 102 Menschen ums Leben gekommen.

Infografik Karte Brände Griechenland DE

Immerhin: 2021 starb niemand. Doch auf der Insel Euböa wurden die Wälder im Norden weitgehend zerstört. Auf der Peloponnes wüteten die Feuer rund um das antike Olympia. In den Ortschaften Varympompi und Afidnes bei Athen konnten die Flammen tagelang nicht unter Kontrolle gebracht werden. Tausende Menschen mussten evakuiert werden oder verloren ihr Hab und Gut.

Auch hier in Vyronas sind die Spuren des vergangenen Jahres noch deutlich sichtbar. Verkohlte Baumstämme funkeln in der Sonne. Schon am Morgen übersteigen die Temperaturen die 30-Grad-Marke. Nur wenige Kilometer entfernt erstreckt sich das weiße Häusermeer der Millionenmetropole Athen. Noch nie kamen die Flammen so nah an die Stadt wie 2021.

Einsatz bei der Freiwilligen Feuerwehr

Für die 24-jährige Katerina war es die Gewalt der Feuer von 2021, die sie zur Freiwilligen Feuerwehr brachte: "Damals konnte ich nicht mehr mitansehen, wie Griechenland brannte und einfach nur dasitzen. Ich wollte helfen." Ihr Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr wird nicht vergütet. Eigentlich ist sie Informatikerin. Die vielen Stunden, die sie mit den Kollegen und Kolleginnen im Wald von Vyronas verbringt, Patrouille fährt und auf Feuerwachtürmen nach Brandherden Ausschau hält, sind für sie Ausdruck ihrer Verbundenheit mit der Heimat.

Katerina Kaglia, von der Freiwilligen Feuerwehr, mit rot-gelbem Schutzhelm und Atemschutzmaske
Katerina Kaglia will nicht untätig zusehen, während das Land in Flammen stehtBild: Florian Schmitz/DW

Viele ihrer Landsleute hätten den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt, meint Katerina Kaglia gegenüber der DW: "Ich werde sehr wütend, wenn Menschen Zigaretten oder Müll in den Wald werfen. Kleine Unachtsamkeiten können ein gewaltiges Feuer verursachen."

In der Tat entstehen 90 Prozent aller Brände in Griechenland durch menschliches Versagen. Die immer längeren Trockenperioden und die Rekordhitze machen die Wälder im Sommer faktisch widerstandslos gegen die Flammen. Auch dieses Jahr hat es bereits gebrannt. Anfang Juni 2022 mussten Häuser in der Nähe des Ortes Glyfada evakuiert werden, und auch im Zentrum von Griechenlands zweitgrößter Insel Euböa fraßen sich die Flammen bis an den Rand des Dorfes Gaia.

"Wir machen riesige Fehler"

Stavros Salayiannis lenkt das rote Löschfahrzeug durch den Wald von Vyronas. Seit über 30 Jahren ist er bei der Freiwilligen Feuerwehr, inzwischen als Präsident beim Verband Freiwilliger Waldbrandschutzorganisationen Griechenlands. Auf dem Waldboden stapeln sich umgestürzte Bäume und trockenes Laub. Dann versperren riesige Baumstämme den Zufahrtsweg: "Das ist vom Sturm letzte Woche und hätte längst beseitigt werden müssen", kritisiert Salayiannis.

Feuerwehrmann Stavros Salayiannis lehnt mit verschränkten Armen an einem Einsatzfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr
Stavros Salayiannis ist bei der Freiwilligen Feuerwehr und bekämpft die Brandgefahr in Vyronas bei AthenBild: Florian Schmitz/DW

"Wir haben aus den Problemen der Vergangenheit nicht gelernt", meint Salayiannis, "im Gegenteil: Wir machen weiter riesige Fehler. In diesem Jahr arbeiten erstmalig das Umweltministerium und das Bürgerschutzministerium zusammen. Viel Geld ist im Spiel und die Zufahrtswege für die Feuerwehr sind noch nicht frei. Das ist ein immenses Problem bei der Brandbekämpfung." Außerdem zeige es, wie wenig Wert auf Prävention gelegt werde.

Zu wenig Geld für Prävention

Salayiannis ist fassungslos darüber, dass die vielen verbrannten Hektar der letzten Jahre und die unmittelbare Bedrohung der Feuer für Athen nicht endlich zu einem Umdenken geführt haben: "Wir begreifen die Notwendigkeit nicht, dass Präventionsmaßnahmen jedes Jahr lange vor dem 1. Mai beginnen müssen. In Griechenland warten wir immer bis zum letzten Moment." In wenigen Tagen erreiche man Waldbrandstufe 4, was auch bedeute, dass alle weiteren Arbeiten im Wald eingestellt würden: "Das wirft uns in der Vorbereitung der Wälder noch weiter zurück. Hier ist einfach schlecht geplant worden. Ich kann nur hoffen, dass wir dafür nicht einen hohen Preis zahlen werden."

Verkohlte Bäume und dürres Gras hinter einer rot-weißen Schranke erinnern in Vyronas an die Waldbrände vom Vorjahr
Extreme Trockenheit und Hitze: In Vyronas bei Athen sieht man noch die Spuren der Brände von 2021Bild: Florian Schmitz/DW

Nach dem Feuersommer 2021 versprach Premierminister Kyriakos Mitsotakis Verbesserungen. Er besetzte Schlüsselposten neu und ernannte einen Minister für Klimakrise und Bürgerschutz. Für Elias Tziritis, Koordinator für Brandvorsorge beim World Wide Fund for Nature Griechenland (WWF), sind solcherlei Personalentscheidungen vor allem Lippenbekenntnisse. In einem Bericht stellt die Umweltorganisation der griechischen Regierung kein gutes Zeugnis aus: 83,5 Prozent der staatlichen Brandschutz-Mittel wurden im Zeitraum zwischen 2016 und 2020 in die Brandbekämpfung gesteckt, nur 16,5 Prozent in die Prävention. Die Vereinten Nationen aber empfehlen 45 Prozent in die Prävention zu investieren, 35 Prozent in die Brandbekämpfung und 20 Prozent in die Aufforstung.

Transparenz und Aufklärung gefordert

Tziritis kritisiert außerdem den Umgang mit dem Budget: "Wir haben große Probleme mit Transparenz. Es geht nicht nur um die Menge des Geldes, sondern darum, die Kontrollmechanismen zu stärken, um nachzuvollziehen, wofür es ausgegeben wird." Die Bedürfnisse seien lokal ganz unterschiedlich.

Brandschutzexperte Elias Tziritis in einem T-Shirt der Umweltorganisation WWF Griechenland
Elias Tziritis ist Brandschutzexperte bei der Umweltorganisation WWF GriechenlandBild: Florian Schmitz/DW

An einem Ort könnten veraltete Stromleitungen das Problem sein. An einem anderen Ort müssten die Gemeinden Bürgerinnen und Bürger aufklären, um unkontrollierten Feuern beispielsweise durch das Verbrennen von Laub in der Landwirtschaft oder beim Ausräuchern von Bienenstöcken entgegenzuwirken: "Ein Maßnahmenplan muss sich mit den Ursachen von Brandherden beschäftigen. Warum brechen Feuer wo aus? Wenn ich das nicht weiß, welche Lösungen will ich dann anbieten?"

Regierung erhöht Budget

Fehlende Daten, Stellen- und Budgetabbau in der Forstbehörde, fehlender Wissenstransfer: Tziritis' Liste an Kritikpunkten ist lang. Er fordert ein systemisches Umdenken und eine bessere Zusammenarbeit von Kommunen, Institutionen und Staat. Letzterer hat das Budget für die Brandbekämpfung für 2022 deutlich erhöht und die Flotte von Löschflugzeugen von 74 auf 86 aufgestockt. Außerdem sind 250 Feuerwehrbeamte aus sechs europäischen Ländern, darunter der Bundesrepublik, vorsorglich über den europäischen Katastrophenschutzmechanismus angefordert worden.

Ein Löschflugzeug im Einsatz wirft im Juli 2021 in Griechenland Wasser über einem Wald ab, im Hintergrund sind dicke Rauchwolken zu sehen.
Ein Löschflugzeug im Einsatz über der Peloponnes im Juli 2021Bild: Andreas Alexopoulos/AP/dpa/picture alliance

Giorgos Amyras, Staatsminister für Umwelt und Energie, sieht sein Land auf einem guten Weg, trotz bestehender Schwierigkeiten: "Jahrzehntelang hat sich der Staat auf die Brandbekämpfung und nicht auf die Prävention konzentriert", sagt er im Gespräch mit der DW. "In diesem Jahr sind zum ersten Mal in der Geschichte Griechenlands wichtige präventive Schritte unternommen worden."

Mit dem Programm "Antinero" hätte der griechische Staat nun 72 Millionen Euro allein in die Prävention investiert. Dabei ginge es um eine Gesamtfläche von 77.000 Hektar, 12.000 Kilometer Waldwege sowie 1600 Kilometer Brandschutzschneisen. Doch Amyras und die griechische Regierung stehen vor schwierigen Aufgaben: Es geht um eine ganzheitliche Ausrichtung der Umweltpolitik und um die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. "Wir müssen die Umwelt für die kommenden Generationen bewahren", sagt Amyras. Der griechische Staat, davon ist er überzeugt, bewegt sich in die richtige Richtung.

Porträt eines Mannes mit braunen Haaren und Bart
Florian Schmitz Reporter mit Schwerpunkt Griechenland