Italienische Geiseln sind zurück
29. September 2004
Es war ein Nervenkrieg der besonders makabren Art, der am Dienstag (28.9.) ein unblutiges Ende nahm: Drei Wochen lang hatte Italien um das Leben zweier junger Frauen gebangt, die aus ihrem Büro in Bagdad entführt worden waren. Dann konnte Ministerpräsident Silvio Berlusconi die gute Nachricht verkünden: Simona Torretta und Simona Pari seien frei, sagte Berlusconi in Rom. "Das ist ein Augenblick großer Freude." Er habe bereits mit den beiden 29 Jahre alten Mitarbeiterinnen einer Hilfsorganisation gesprochen.
Die Freilassung wurde allerorts mit Erleichterung aufgenommen: Kaum war die gute Nachricht bekannt, versammelten sich hunderte Menschen vor dem Haus im Süden Roms, in dem die Torrettas leben. Simonas Mutter Annamaria und ihre zwei anderen Töchter winkten aus dem Fenster in die Menge, die anhaltend klatschte. "Wir haben mit dem Botschafter in Bagdad gesprochen. Die Information stimmt zu 100 Prozent", sagte Annamaria Torretta. In Rimini brachte Luciano Pari nur die Worte "Ich bin glücklich, unermesslich glücklich" heraus, als er von der Freilassung seiner Tochter erfuhr. Noch am Abend waren die beiden Frauen in Rom eingetroffen.
Wurde Lösegeld gezahlt?
Die beiden Frauen waren am 7. September in der irakischen Hauptstadt verschleppt worden. Unmittelbar nach der Entführung hatten die Kidnapper den sofortigen Rückzug der italienischen Soldaten aus dem Irak verlangt. Die Regierung in Rom machte aber sofort klar, dass sie nicht zum Nachgeben bereit sei. Berlusconi sagte am Abend, zeitweise habe man sogar eine militärische Befreiungsaktion ins Auge gefasst. Wenige Stunden vor der Freilassung der Italienerinnen hatte die kuwaitische Zeitung "Al-Rai Al-Aam" von der bevorstehenden Freilassung gegen Zahlung eines Lösegeldes in Höhe von einer Million Dollar (813.000 Euro) berichtet. Die Entführer hätten am Montag (27.9.) bereits die Hälfte der Summe erhalten. Offiziell gab es dazu vorerst keine Stellungnahme.
Widersprüchliche Informationen
Das Schicksal der beiden jungen Frauen hatte ganz Italien bewegt. Kurz nach ihrer Entführung waren zehntausende Menschen in Rom auf die Straße gegangen, um für ihre Freilassung zu demonstrieren. Besonders belastend waren die widersprüchlichen Informationen über die Geiseln: So wollten gleich zwei Extremistengruppen die Frauen verschleppt haben. Sie forderten Rom ultimativ zum vollständigen Abzug der Truppen aus dem Irak auf. Eine Vermittlungsreise von Außenminister Franco Frattini in die Golfregion brachte keine sichtbaren Fortschritte. Dann behaupteten Extremisten auf unterschiedlichen Internetseiten, den beiden Italienerinnen "den Hals abgeschnitten" zu haben. Die Echtheit der Erklärungen wurde jedoch von der Regierung in Rom angezweifelt. Die Angehörigen schöpften wieder neue Hoffnung.
Anteilnahme am Schicksal der anderen Geiseln
Trotz der allgemeinen Erleichterung sind die anderen Geiseln im Irak nicht vergessen. Es bleibe der Schmerz über alle, die auf "barbarische Weise" getötet worden seien, betonte der italienische Präsident Carlo Azeglio Ciampi. "Wir bleiben in Angst um alle Geiseln, die noch in den Händen ihrer Entführer sind und erneuern unseren Appell: Lasst sie frei." Im Irak waren in den vergangenen Monaten mehr als 100 Ausländer entführt worden. Mindestens 28 von ihnen wurden ermordet. Weiter unklar ist das Schicksal von drei westlichen Geiseln. Dabei handelt es sich um die am 20. August entführten französischen Journalisten Georges Malbrunot (41) und Christian Chesnot (37) sowie den britischen Ingenieur Kenneth Bigley (62), der am 16. September aus einem Wohnhaus in Bagdad verschleppt worden war. (arn)