Renzi sagt Korruption den Kampf an
14. Juni 2014Kurz nach dem Rücktritt des wegen eines gewaltigen Korruptionsskandals zu vier Monaten Haft verurteilten Bürgermeisters von Venedig, Giorgio Orsoni, hat Italiens Premier Matteo Renzi ein Paket zur effizienteren Korruptionsbekämpfung vorgestellt. Vetternwirtschaft, Bestechung und "systematische Leistungen auf Gegenseitigkeit" grassieren in Italien wie schon lange nicht mehr. 2013 sollen sich die Bestechungszahlungen auf 60 Milliarden Euro summiert haben.
Auch Expo 2105 im Blick
Nach dem Willen von Renzi wird künftig der Präsident der Anti-Korruptionsbehörde, Raffaele Cantone, die Hoheit über öffentliche Projekte übernehmen, wenn der Verdacht auf Bestechung besteht. Im Blick hat Renzi hierbei auch die für 2015 geplante Weltausstellung Expo am Rande von Mailand. Wegen Korruption rund um die Expo in der lombardischen Hauptstadt wurden im Mai sieben Personen in Untersuchungshaft genommen. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat bereits mehrfach auf das hohe Risiko von Infiltrationen durch die Mafia gewarnt.
Ferner sollen in Italien die Haftstrafen für Bilanzfälschung auf fünf Jahre erhöht und die Verjährungsfristen bei Korruptionsvergehen verlängert werden. Der Regierungschef, der derzeit in Asien um Investitionen in seiner Heimat wirbt, kündigte einen "Kulturkampf" gegen Korruption an. Aktiver bekämpfen will er auch Verstrickungen zwischen Unternehmen und organisierter Kriminalität. Korrupte Firmenchefs sollen lebenslang von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Sie sollen auch keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden dürfen. Der Premier wies zugleich darauf hin, Korruption könne nicht alleine durch ein paar neue Gesetze bekämpft werden. Wichtig sei, dass sich das Moralverhalten ändere.
Audrücklich begrüßte Renzi den Amsverzicht des Bürgermeisters von Venedig, der seinen Schritt am Freitag mitgeteilt hatte. Die Ermittlungen um das gigantische Bauvorhaben "Mose" (Moses) zum Schutz der Lagunenstadt vor künftigem Hochwasser (siehe Artikelbild) hatten in der vergangenen Woche zur Festnahme des sozialdemokratischen Bürgermeisters und 35 weiteren Verdächtigen geführt. Nach Annahme der im Rahmen eines Vergleichs festgelegten Gefängnisstrafe kam Orsoni am Donnerstag vorläufig frei. Gegen 100 weitere Personen wurden Ermittlungen eingeleitet.
20 Millionen Euro veruntreut
Die Baustelle des Großprojektes "Mose" erstreckt sich über eine Länge von 20 Kilometern an der Lagune von Venedig. Rund 50 Unternehmen sind dort an der Errichtung von 78 schwimmenden Deichen beteiligt, mit denen die Stadt vor den Wassermassen geschützt werden soll. Venedig leidet regelmäßig unter Überschwemmungen aufgrund des gestiegenen Meeresspiegels.
Das undurchsichtige Geschäftstreiben sollen Orsoni und andere Beschuldigte genutzt haben, um illegal Geld in eine schwarze Kasse abzuzweigen. Diese wurde nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft von Venedig mit Bestechungsgeldern und Zahlungen aus gefälschten Rechnungen gefüllt. Rund 20 Millionen Euro sollen auf diese Weise veruntreut und auf ausländische Konten transferiert worden sein. Der Großteil des Geldes wurde demnach zur Finanzierung politischer Parteien auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene verwendet.
Auf Geheiß von Renzis Partei DP
Orsoni gab zwar zu, eines Teil des Geldes angenommen zu haben, allerdings habe er dies auf Geheiß seiner Demokratischen Partei (DP) getan, - so wie es schon andere Bürgermeister vor ihm getan hätten. Laut italienischen Medienberichten äußerte sich Orsoni "verbittert" über den Umgang von Renzis Regierungspartei DP mit der Affäre, nachdem ihm die Parteiführung öffentlich ihre Unterstützung entzogen hatte. Dass bei seiner Wahl zum Bürgermeister im Jahr 2010 ein illegales Finanzierungssystem genutzt worden sei, habe er nicht wissen können, fügte Orsoni hinzu.
Der 2003 begonnene Bau der Deiche vor Venedig soll wegen massiver Verzögerungen nun erst 2016 abgeschlossen werden.
se/kle (ape, afp, dpa)