CDU-Politiker erwägen Minderheitsregierung
10. Dezember 2017Für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen mit der SPD über eine Neuauflage der großen Koalition hat das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn eine Minderheitsregierung der Union vorgeschlagen. "Wenn es mit der SPD gar nicht geht, machen wir es eben alleine", sagte Spahn der "Bild am Sonntag". "Neuwahlen wären das Schlechteste", sagte Spahn. Sie würden kein völlig anderes Ergebnis als die Wahl im September bringen. "Wir können nicht vor die Bürger treten und sagen 'Eure Wahl passt uns nicht, wählt noch mal'." Eine Minderheitsregierung sei zwar etwas "völlig Neues", müsse aber deshalb nichts Schlechtes sein, betonte der 37-Jährige. "Angela Merkel könnte mit all ihrer Erfahrung auch eine Minderheitsregierung erfolgreich führen."
Zugleich lehnte Spahn eine große Koalition um jeden Preis ab. "Wenn eine neue große Koalition die falschen Schwerpunkte setzen würde, hätten Union und SPD in vier Jahren zusammen nicht mal mehr eine Mehrheit", sagte er. "Es waren schon jetzt nur noch 53 Prozent." Als verbindendes Projekt für eine neue Koalition mit der SPD schlug Spahn, der auch Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen ist, den "starken Staat" vor. "Recht, Ordnung und Sicherheit müssen wieder garantiert werden." Dies müsste die SPD eigentlich genauso sehen: "Sicherheit ist ja auch eine soziale Frage."
Eine neue große Koalition könne nur gelingen, "wenn wir uns der Unzufriedenheit bei den Themen Innere Sicherheit, Migration und Integration stellen", sagte Spahn. Auch viele SPD-Wähler würden nicht wollen, dass sich die Migrationskrise 2015 wiederholt. Dafür brauche es konkrete Maßnahmen wie etwa den Schutz der EU-Außengrenzen, schnellere Asylverfahren, konsequente Abschiebungen und "auch das Signal, dass es für subsidiär Geschützte keinen Nachzug der Familien nach Deutschland gibt".
Linnemann warnt SPD vor überhöhten Forderungen
Eine ähnliche Linie wie Spahn verfolgt auch Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU. Er plädiert dafür, in ernsthaften Gesprächen mit den Sozialdemokraten Gemeinsamkeiten auszuloten. "Wenn es uns gelingt, eine gemeinsame Überschrift für die nächsten Jahre zu finden und Politik für die Zukunft zu gestalten, dann kann daraus etwas Gutes werden", sagte er gegenüber tagesschau.de. Eine Große Koalition etwa, die sich an den Motiven persönliche und soziale Sicherheit sowie wirtschaftliche Prosperität ausrichte, könnte dem Lande wichtige Impulse für die Zukunft geben, so Linnemann. Allerdings: "Wenn der Preis zu hoch ist, dann muss es eine Minderheitsregierung werden." Der 40-Jährige gilt als einer der kommenden Köpfe in der Union.
Nach dem Votum des SPD-Parteitags für Gespräche mit der Union über eine Regierungsbildung berät zur Stunde der CDU-Bundesvorstand über das weitere Vorgehen. Am Montagmorgen folgen dann eine Sitzung des CDU-Präsidiums sowie danach eine weitere Runde des Bundesvorstands. Während die SPD zunächst nur ergebnisoffene Gespräche mit CDU und CSU führen will und dabei auch über die Möglichkeit einer unionsgeführten Minderheitsregierung sprechen möchte, drängt die CDU auf die schnelle Bildung einer stabilen Regierung. Am Mittwochabend wird es voraussichtlich ein Treffen der Partei- und Fraktionschefs von CDU, CSU und SPD geben. Am Freitag will die SPD-Spitze dann über die Aufnahme von Sondierungsgesprächen entscheiden. Förmliche Sondierungsverhandlungen könnten Anfang Januar starten.
Elf Kernthemen
Ein SPD-Parteitag hatte sich zuvor für ergebnisoffene Gespräche über eine Regierungsbildung ausgesprochen - ohne rote Linien, für eine erneute große Koalition haben die Sozialdemokraten aber elf Kernthemen aufgestellt. Dazu zählen die Wiederzulassung des Familiennachzugs für bestimmte Flüchtlingsgruppen, eine Solidarrente sowie eine Bürgerversicherung.
Der neue SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der "Bild am Sonntag": "Wir wollen Milliardeninvestitionen in die Bildung. Wir wollen Europa reformieren. Wir wollen die Situation im Gesundheits- und Pflegebereich verbessern." Nur wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in diesen Bereichen bewege, machten weitere Gespräche überhaupt Sinn. "Die Union muss jetzt auf die SPD zugehen", betonte Klingbeil.
kle/hk (dpa, afp, rtr)