Bolsonaros erste Regierungskrise
20. Februar 2019Nach gerade einmal sechs Wochen hat die neue Regierung von Jair Messias Bolsonaro ihren ersten großen Skandal. Zu Beginn der Woche entließ der Präsident seinen ehemaligen Wahlkampfmanager Gustavo Bebianno, der als Minister des Generalsekretariats der Präsidentschaft die politische Koordination zwischen Regierung und Kongress übernommen hatte.
Bebianno soll während seiner Zeit als Präsident von Bolsonaros Partei PSL (Partido Social Liberal) öffentliche Wahlkampfgelder veruntreut haben, in dem er das Geld an Scheinkandidaten vergab. Der Fall offenbart interne Machtkämpfe um den Einfluss auf den Präsidenten. Es droht ein Bruch der ohnehin wackeligen Regierungsbasis im Kongress.
Jair Bolsonaro war im Oktober 2018 mit dem Versprechen gewählt worden, die in Politik und vor allem in Parteien grassierende Korruption zu bekämpfen. In den letzten Wochen hatte die Presse jedoch gleich fünf Fälle aufgedeckt, in denen Kandidatinnen der PSL bei den Oktoberwahlen zwar hohe Summen aus dem staatlichen Wahlkampfbudget erhielten, offensichtlich aber gar keinen Wahlkampf geführt hatten. Ein Großteil des Geldes soll an die Parteizentrale zurückgeflossen sein.
Erst Verbündeter, dann Gegner
Bebianno beteuerte, von den Scheinkandidaturen nichts gewusst zu haben. Die Zuteilung der Gelder sei Sache der Landesverbände gewesen. Bolsonaro habe mit der frühen Entlassung des Ministers die Reißleine gezogen, meint hingegen der Politikwissenschaftler Ricardo Ismael von der katholischen Universität von Rio de Janeiro (PUC-RJ) im Gespräch mit der DW.
"Bolsonaro gewinnt, weil er sein Image von Bebianno löst. Er hat sogar die Bundespolizei aufgefordert, zu ermitteln," sagt Ismael. Gefährlich sei der Fall für Bolsonaros Saubermann-Image trotzdem. Denn als Bolsonaros ehemaliger Wahlkampfmanager wisse Bebianno über Interna Bescheid, die nun an die Presse durchgesteckt werden könnten, glaubt Ismael.
Die Motivation dafür scheint da zu sein. Medien berichten seit Monaten, dass Bolsonaros Kampagne mit illegalen Spenden finanziert worden sei. Bisher fehlen jedoch stichhaltige Beweise. Nun soll Bebianno nach einem hitzigen Gespräch mit dem Präsidenten gegenüber Journalisten erklärt haben, dass er es bereue, Bolsonaro zur Präsidentschaft verholfen zu haben.
Digitale Demütigung
Die Entlassung von Bebianno war abzusehen, meint auch der Politikwissenschaftler Sérgio Praça von der Fundação Getúlio Vargas gegenüber der DW. Allerdings habe er es auf eine denkbar schlechte Art und Weise getan. So zog sich die Entlassung über fünf Tage hin, in denen Bolsonaro mehrmals Bebiannos Entlassung über soziale Netzwerke ankündigte. Zudem wurden vertrauliche Gespräche zwischen beiden an die Presse durchgesteckt. Das Ganze sei ein für alle Seiten unwürdiges Schauspiel gewesen, urteilte die Presse.
Der Streit hatte sich in der vergangenen Woche an einem Tweet des Präsidentensohnes Carlos entzündet. Der Lokalpolitiker aus Rio, von seinem Vater mit dem Spitznamen "mein Pitbull" versehen, hatte Bebianno als "Lügner" bezeichnet. Er reagierte damit auf die Behauptung Bebiannos, dass Präsident Bolsonaro trotz der Korruptionsvorwürfe gegen ihn weiterhin zu ihm stehe und er dreimal täglich mit ihm gesprochen habe.
Präsidentensohn Carlos hingegen erklärte, sein Vater, der wegen eines Messerattentats im September im Krankenhaus behandelt wurde, habe nicht mit Bebianno gesprochen. Bereits im Wahlkampf soll sich Bebianno mit Carlos überworfen haben. Seitdem soll der Sohn den Präsidenten gedrängt haben, Bebianno loszuwerden.
Entlassung per Twitter
Der Präsident selbst verbreitete den Tweet seines Sohnes auch über seine eigenen sozialen Netzwerke. Zudem kündigte er über diese mehrmals an, Bebianno entlassen zu wollen. "So ein aggressives Vorgehen sieht man in Brasília nicht gerne. Und unter Erwachsenen schon gar nicht", so der Politologe Praça.
Im Kongress löste die öffentliche Bloßstellung Bebiannos durch den Präsidenten-Clan Entsetzen aus. "Kein Politiker in Brasília will wie Bebianno behandelt werden", meint Politologe Ismael. Abgeordnete der PSL forderten Bolsonaro angesichts der öffentlichen Demontage ihres ehemaligen Parteichefs auf, den Einfluss seines Sohnes zu begrenzen.
Am Dienstag verlor die Regierung zudem prompt eine wichtige Abstimmung. Ein Warnschuss. Denn in den nächsten Wochen will Bolsonaro wichtige Reformen durch den Kongress bringen. Dafür will er auch mit Hilfe von sozialen Netzwerken Druck auf die Abgeordneten ausüben.
"Er wird immer klarer, dass es ein Risiko ist, Bolsonaro als Partner zu haben. Und das ist schlecht für den Präsidenten", beschreibt Politologe Praça die Stimmung im Kongress. Scheitert Bolsonaro mit seinen Reformen, droht seine gesamte Präsidentschaft zu scheitern, urteilen Experten.
Noch mehr Militärs
Zum Nachfolger von Bebianno bestimmte Bolsonaro den Ex-General Floriano Peixoto. Damit stellen die Militärs bereits acht der insgesamt 22 Minister. Mehr als in den Kabinetten der Militärdiktatur (1964-85). Angesichts der negativen Erfahrungen, die Brasilien damals mit dem Militär gemacht habe, sei dies kein gutes Signal, urteilt der Politologe Ismael. Bolsonaro brauche derzeit jedoch die Hilfe der Militärs, um der chaotisch wirkenden Regierung Strukturen zu geben.
Für Politologe Praça ist der zunehmende Einfluss der Militärs ein Zeichen für die Schwäche Bolsonaros, der nicht einmal seinen eigenen Sohn gebändigt bekomme. So verliere Bolsonaro intern Macht, während die Militärs mächtiger würden. "Das ist keine schwache Regierung, sondern ein schwacher Präsident."