Von Flaggen, Fahnen und anderen Ländern
20. November 2017DW: Herr Diem, Sie haben sich ausführlich mit der Fahnen- und Flaggenkunde beschäftigt. Wo hat die Fahne ihren Ursprung?
Peter Diem: Die Fahne ist ein uraltes Symbol, das hauptsächlich mit dem Kriegswesen zusammenhängt. Sie war von Anfang an ein Symbol für eine Heeresformation. Das ist schon bei den ältesten Anwendungen in China, Persien oder in der Bibel der Fall. Sie war ein Zeichen, an dem man sich orientieren konnte als Militär. Der Ursprung ist also eindeutig kriegerisch. Erst später dann, über die Seefahrt, wo das Symbol der Flagge entstanden ist, wurde die Fahne zum Zeichen für friedliche Gemeinschaften, so wie Nationen es etwa sind.
Was ist der Unterschied zwischen einer Fahne und einer Flagge?
Die Fahne wird getragen. Sie ist ein Stück Tuch, das an einem Stock befestigt ist, und sie wird nicht ausgewechselt. Wenn sie verschlissen ist, kommt sie ins Museum oder wird verbrannt. Die Flagge hingegen wird an einem Mast mit einer Leine gehisst, flattert im Wind und ist ein Gebrauchsgegenstand, das heißt sie kann ohne Weiteres ersetzt werden durch eine neue Flagge.
Welches ist denn die älteste erhaltene Fahne der Welt?
Die älteste noch existierende Fahne stammt aus Persien und ist im dritten vorchristlichen Jahrtausend zu datieren. Sie stammt aus der ostpersischen Stadt Khabis und zeigt zwei Löwen und eine Sonne. Löwe und Sonne bildeten das iranische Staatssymbol bis 1979, als die islamische Republik eingeführt wurde, die sich 1980 ein neues, aus vier Mondsicheln und einem Schwert bestehendes Wappen gab.
Welche Bedeutung haben die Farben? Lässt sich da allgemein etwas zu sagen – oder wird das in jedem Land anders interpretiert?
Das ist eine Frage der Tradition. Je älter die Flaggen sind, desto weniger Farben haben sie. Das Rot-Weiß-Rot der österreichischen Flagge beispielsweise stammt aus dem Jahr 1230. Noch älter ist die dänische Flagge. Je mehr Nationen es gab, desto mehr Farben mussten herangezogen werden. Dabei werden nicht alle Farben verwendet. Prinzipiell sind es meist die sogenannten Grundfarben – Gelb beziehungsweise Gold, Rot und Blau – gepaart mit Schwarz und Weiß. Grün kommt dann später dazu. Grün wird vor allen Dingen im muslimischen Bereich als Farbe des Propheten angewendet.
Wofür stehen die Farben?
Die Farbsymbolik ist eine eigene Wissenschaft. Man würde aber sicher nicht fehlgehen, wenn Rot mit Blut zusammenhängt, Blau mit Himmel und See, Grün mit Wald und Wiese, Schwarz mit dem Tod und Weiß mit der Unschuld. Diese Dinge sind uralte Symbole. Rot beispielsweise ist besonders stark und natürlich als Farbe der Revolution und der Liebe besonders symbolträchtig.
Wenn man sich die jüngeren Nationen anguckt: Wer entwirft eigentlich Flaggen?
Das ist in der Regel eine Ausschreibung, ein Wettbewerb. Wenn eine junge Nation eine Farbkombination sucht, dann muss sie sich natürlich alle anderen anschauen, um nicht bereits vorhandene zu verwenden. Dann setzen sich wahrscheinlich Werbefachleute, Grafiker und Historiker zusammen und dann wird die Flagge konstruiert.
Im Gegensatz zu den meisten Nationen haben Österreich und Deutschland eine Unterscheidung zwischen Bundesdienstflagge und Nationalflagge. Das ist noch aus einer Zeit einer sehr autoritär denkenden Gesellschaft, wo die staatlichen Behörden ein Imperium haben und das durch die Bundesdienstflagge mit dem Wappen ausdrücken. Ich bin persönlich der Meinung, dass das in der Demokratie überholt ist. Aber es ist nun einmal so, dass es in Deutschland und Österreich zwei Flaggen gibt: die Bundesdienstflagge mit dem Wappen in der Mitte und die Nationalflagge.
Das sind ja auch die beiden Länder, die sich mit der Flagge ein wenig schwer tun…
Es gibt bei Fahne und Flagge zwiespältige Anwendungen. Wenn sie sehr nationalistisch angewendet wird, dann kann die Flagge ein undemokratisches Symbol darstellen. Durch die schwere Propagandaschlacht des Nationalsozialismus gibt es in Deutschland und Österreich nach wie vor eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Symbol der Flagge – ganz anders als beispielsweise in den USA. Weil die Flagge eben so missbraucht wurde im Nationalsozialismus. Es gibt oft eine starke emotionale Bindung der Menschen, deren Nation dargestellt wird. Deshalb ist die emotionale Seite der Beflaggung ein wenig mit Vorsicht zu genießen.
Dr. Peter Diem (Jahrgang 1937) ist Medienwissenschaftler und Mitherausgeber des Austria-Forums, ein Informationsportal zu Österreich bezogenen Themen. Er ist Autor des Buches "Die Symbole Österreichs. Zeit und Geschichte in Zeichen".
Das Interview führte Petra Lambeck.