"Jamaika": In Kleingruppen zum Kompromiss?
7. November 2017Statt in großer Runde werden offene Fragen zunächst nur in kleinen Gruppen besprochen werden. Erst am Freitag soll dann das große Jamaika-Plenum wieder zusammenkommen, hieß es nach knapp fünfstündigen Gesprächen am Dienstag in Berlin. Alle Seiten bemühten sich, Optimismus zu verbreiten. Der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, äußerte sich "sehr zuversichtlich", dass es bis Freitag gelingen werde, sich auf eine "zufriedenstellende Anzahl von Arbeitspapieren" zu verständigen. "Wir sind gut in die zweite Etappe der Sondierungen gestartet."
Den Arbeitsgruppen sollen demnach nur jeweils die Berichterstatter der vier Parteien zu den einzelnen Themen angehören. "Wir haben jetzt klare Hausaufgaben für die Kleingruppen der Experten", die sich nun um die Details kümmern würden, sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Diese nahmen teilweise bereits am Dienstag ihre Arbeit auf.
Bekräftigt wurde auch der Zeitplan, die Sondierungen bis zum 16. November abzuschließen. "Wir sind allesamt zuversichtlich, dass wir den auch einhalten werden", sagte Grosse-Brömer. "Die zweite Phase ist jetzt definiert", ergänzte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner sagte: "Wir schalten vom Sammelmodus in den Arbeitsmodus." Er verwies zugleich auf die weiter geltende Regel: "Es ist nichts vereinbart, bis nicht alles vereinbart ist." Zuvor hatte seine Partei mit Kompromisssignalen beim Streitpunkt Klima Hoffnungen auf eine grundlegende Annäherung gemacht.
Grüne bringen mit Zugeständnissen Sondierungsgespräche in Schwung
"Jetzt ist die Zeit des Brückenbauens", sagte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kurz vor der Gesprächsrunde in Berlin. "Es sind jetzt noch faktisch neun Tage, die wir Zeit haben zu verhandeln. Dann ist Abgabetermin. Und dann kann man schauen, ob das Haus gebaut werden kann." Die Grünen-Spitzenunterhändlerin bekräftigte, für ihre Partei stünden die Klimaziele 2020 und 2030 nicht zur Debatte. Die Grünen seien aber bereit darüber zu reden, ob es andere als die von ihrer Partei vorgeschlagenen Wege gebe, um diese Ziele zu erreichen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Montag gesagt, die Jamaika-Sondierungen sollten am 16. November abgeschlossen sein. Dann wollen die Parteien anhand eines gemeinsamen Konsenspapiers entscheiden, ob sie offizielle Koalitionsverhandlungen aufnehmen.
Kein fixes Datum mehr
Für den frischen Schwung zum richtigen Zeitpunkt sorgte die Grünen-Doppelspitze. Grünen-Chef Cem Özdemir hatte in der "Stuttgarter Zeitung" deutlich gemacht, dass die Grünen nicht länger auf dem Ende des Verbrennungsmotors im Jahr 2030 beharren. Mit einem Wahlergebnis von 8,9 Prozent könne seine Partei nicht erwarten, die eigene Handschrift "zu 100 Prozent auch in der Mobilitätspolitik durchzusetzen". Aber es seien Maßnahmen nötig, um die emissionsfreie Mobilität einzuleiten. "Dazu gehört die blaue Plakette, dazu gehört die Nachrüstung beim Diesel, dazu gehört, Anreizsysteme so zu machen steuerlich, dass es sich lohnt, emissionsfrei zu fahren." Zudem müsse mehr Geld in die Hand für den öffentlichen Verkehr genommen werden, sagte Özdemir. Auch für das Radfahren müsse mehr getan werden.
Grünen-Chefin Simone Peter deutete im Ringen um die Kohlepolitik Kompromissbereitschaft an. Sie sagte der "Rheinischen Post": "Für uns kommt es nicht darauf an, ob das letzte Kohlekraftwerk 2030 oder 2032 vom Netz geht." Entscheidend sei die tatsächliche CO2-Emissionsminderung.
FDP reagiert positiv
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner zeigte sich erfreut. Ihn habe weniger die Ankündigung zum Verzicht auf das strikte Ausstiegsdatum beim Verbrennungsmotor überrascht, da hier bei den Grünen ohnehin keine Einigkeit bestanden habe. Mit großer Aufmerksamkeit habe er aber registriert, dass sich die Grünen beim Kohleausstieg bewegt hätten. Offenbar bekomme bei ihnen nun das Argument der Versorgungssicherheit bei der Energie mehr Bedeutung.
Bei der CSU gab es ein geteiltes Echo auf den Grünen-Vorstoß. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt zeigte den Grünen die kalte Schulter: "Das Abräumen von Schwachsinnsterminen ist noch kein Kompromiss." Es gehe um Kompromisse und nicht um Dinge, die nie zur Debatte gestanden hätten. Mit dem Kraftausdruck bezog er sich auf eine frühere Aussage des baden-württembergischen Grünen-Regierungschefs Winfried Kretschmann.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lobte dagegen die Signale der Grünen. "Das ist vernünftig und erleichtert Verständigungen", sagte er. Denn man könne "nicht einfach von heute auf morgen jetzt auf einmal alle Kohlekraftwerke abschalten oder auf alle Verbrennungsmotoren verzichten."
Auch die FDP hat Spielräume
Nicht nur die Grünen, auch die FDP zeigt sich nun plötzlich konzilianter. Lindner kündigte nämlich im Gegenzug Abstriche bei den Forderungen seiner Partei nach einer großen Steuerreform an. Seine Partei habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass es für eine große Steuerreform im Umfang von 30 bis 40 Milliarden Euro keine Mehrheit gebe. Die FDP halte aber weiter an einer Entlastung der Bürger fest und konzentriere sich nun auf den Abbau des Solidaritätszuschlages sowie auf die Entlastung der Familien und der kleinen und mittleren Einkommen.
Kaum Entgegenkommen lässt dagegen die CSU erkennen, die alte Positionen wiederholte. Dobrindt sagte, es gehe darum, Familien zu entlasten, unter anderem durch die Erhöhung des Kindergelds und der Einführung eines Baukindergelds. Und Herrmann zeigte beim Streitpunkt Migration klare Kante. Über das Unions-Eckpunktepapier zur Eindämmung der Zuwanderung sagte er: "Ich sehe überhaupt keine Absicht, da Abstriche zu machen von dem, was wir zwischen CDU und CSU vereinbart haben."
kle/ww (dpa, afp, rtr)