James Webb entdeckt mysteriöses "Fragezeichen" im All
11. August 2023"Das ist kein Scherz", so die Reaktion der Europäischen Weltraumorganisation ESA auf unsere Anfrage bezüglich des Fragezeichens im Weltraum. Sie hätten nicht deutlicher sein können - aber kann man nicht mal fragen, nur um sicherzugehen?
Das mysteriöse "Fragezeichen", das vom James Webb Space Telescope (JWST) 1470 Lichtjahre von unserem Planeten entfernt entdeckt wurde, ist der wohl meme-mäßigste Zufallsfund seit dem Start der Raumsonde am 25. Dezember 2021.
Das Fragezeichen ist in einem hochauflösenden Bild eines "eng verbundenen Paares von sich aktiv bildenden Sternen, bekannt als Herbig-Haro 46/47 [...], versteckt", erklärt die ESA. "Um das junge Sternpaar zu finden, verfolgen sie die hellen pinken und roten Beugungsspitzen (auch "Spikes" genannt, Anm. d. Red.) bis zur Mitte: Die Sterne befinden sich tief vergraben innerhalb des orange-weißen Flecks."
Wer bis hierhin folgen kann: Weit unter diesen roten Spikes und dann etwas weiter rechts kann man tatsächlich deutlich (wenn auch winzig) ein Fragezeichen erkennen. Tipp: Tief reinzoomen.
Die Wahrheit hinter dem Fragezeichen
Was diesen Fund so ungewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass es hier nicht um die Interpretation von Formen und die Vorstellung von Dingen geht, wie man es beispielsweise tut, wenn man sich Gesichter oder Tiere in den Wolken vorstellt. Es handelt sich eindeutig um ein Fragezeichen, zweifelsohne!
"Ich bin kein Astronom, aber die Möglichkeit, dass entweder eine intelligente und hochentwickelte außerirdische Lebensform Galaxien manipuliert, um ... Charaktere zu erschaffen, oder dass zwei, drei Galaxien einfach kollidieren und zufällig wie ein "?" aussehen, halte ich für weitaus wahrscheinlicher", sagt der Weltraumexperte Malcolm Macdonald, Professor für Raumfahrttechnik an der Strathclyde University in Großbritannien.
Kollidierende Galaxien bilden erkennbare Formen
Nun, zugegeben, die Aufnahme hat sich in der Tat auch als Mysterium vor allem in Sozialen Netzwerken und anderen Medien verbreitet. Weder die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA noch die ESA oder die kanadische Raumfahrtbehörde schienen aus dem Fragezeichen im Weltraum eine große Sache machen zu wollen. Ihr Hauptaugenmerk bei der Aufnahme dieses speziellen Bildes lag auf der Beobachtung der Entstehung von Sternen.
Doch auf Nachfrage erklärte der Leiter der Kommunikation zur Weltraumwissenschaft bei der ESA, Kai Noeske, dass das Fragezeichen "wie eine Gruppe oder eine zufällige Anordnung von zwei oder drei Galaxien aussieht. Der obere Teil des Fragezeichens sieht wie eine verzerrte Spiralgalaxie aus, die vielleicht mit einer zweiten Galaxie verschmilzt".
Und obwohl Macdonalds eigener Schwerpunkt eher auf Satelliten liegt, scheint es so, dass die Theorie der kollidierenden Galaxien wohl die wahrscheinlichste ist. Mysterium gelöst?
"Galaxien kollidieren häufig. Es ist also plausibel, dass wir, wenn wir anfangen, all diese verschiedenen Kollisionen genau zu betrachten, eine sehen werden, die aus unserer Perspektive wie eine vertraute Form aussieht", so Macdonald.
Auch Jonathan McDowell, Astrophysiker am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, meldete sich auf DW-Anfrage mit einer weiteren Bestätigung zurück: "Kein Scherz. Eine vollkommen normale Form für ein Galaxienpaar [...]. Die eine Galaxie wird durch die Schwerkraft einer anderen Galaxie, an der sie vorbeizieht, auseinandergerissen (Tidal-Disruption-Event, TDE, Anm. d. Red.), und das macht den gekrümmten Teil des Fragezeichens. Der 'Punkt'-Teil des Fragezeichens ist eine normale runde Galaxie, die sich zufällig fast in der gleichen Richtung befindet", so McDowell.
In den weniger als zwei Jahren seines Betriebs hat das JWST einige der beeindruckendsten Bilder des Weltraums geliefert und Forschenden geholfen, einige erstaunliche Weltraumphänomene besser zu verstehen. Zweifellos wird es auch dem Rätsel des Fragezeichens sehr bald weiter auf den Grund gehen.
Aus dem Englischen adaptiert von Hannah Fuchs.