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Japans Herz für Roboter

Julian Ryall, Tokio / mgr21. Juli 2015

Einst gab es sie nur in Fabriken, Forschungs- und Entwicklungslaboren. Doch inzwischen rollen Roboter auch durch die japanische Gesellschaft. Und die Japaner lieben das. Julian Ryall berichtet aus Tokio.

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Japaner mit Roboter Pepper (Foto: TORU YAMANAKA/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/T. Ymanaka

Elf neue Mitarbeiter werden im September an Tokios Haneda International Airport anfangen. Ihre Aufgaben sind eher stupide: die Hallen putzen oder auch Gepäck transportieren. Beschweren werden sie sich trotzdem nicht. Denn die elf Neuen sind Roboter.

Die Anstellung ist ein Testlauf: Durch die Vereinbarung zwischen dem Flughafenbetreiber und Cyberdyne Inc. werden die neuesten Schöpfungen der Technologiefirma erstmals in einem echten Arbeitsumfeld getestet. Sollte das Experiment glücken, sollen künftig sogar weitere nicht-menschliche Mitarbeiter am Flughafen beschäftigt werden.

"Da die Zahl der Erwerbstätigen in Japan sinkt, finden Firmen kaum Menschen, die Hilfsarbeiten verrichten", sagt Jeff Kingston, Direktor für asiatische Studien am japanischen Campus der Temple Universität, der DW. Genau an dieser Stelle können Roboter aushelfen.

Angela Merkel mit Roboter Asimo in Tokio (Foto: REUTERS/Issei Kato)
Bekanntschaft mit Bundeskanzlerin: Seit 2004 ist "Asimo" in der Robot Hall of FameBild: Reuters/I. Kato

Japan - und die Welt - altert

Während die Maschinen im Moment vor allem an Flughäfen, in Restaurants, Banken, Hotels oder auf Bauernhöfen und Baustellen vorkommen, werden sie in Zukunft vermutlich insbesondere in der Pflege tätig sein: "Es gibt bereits jetzt zu wenige Pfleger - und das ist genau der Sektor mit der größten Mitarbeiter-Fluktuation in Japan aufgrund der schlechten Löhne und Arbeitsbedingungen", sagt Kingston. "Diese Roboter können so programmiert werden, dass sie die Ausfälle der alternden Nation auffangen können, auf die die Regierung nicht gut vorbereitet ist."

2014 waren etwas mehr als 25 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre. Insgesamt sind das mehr als 32,68 Millionen Japaner. Besorgniserregender war jedoch eine andere Zahl: Erstmals war die Zahl der Rentner mehr als doppelt so groß wie die der Japaner unter 15 Jahren. Doch nicht nur Japan ist eine rapide alternde Nation: Die World Health Organization (WHO) sagt vorher, dass 2050 22 Prozent der Weltbevölkerung älter als 60 Jahre sein wird.

Der hilfreiche Teddybär

Entwickler haben das schnell als Chance für sich entdeckt. RIBA (Robot for Interactive Body Assistance) zum Beispiel ähnelt einem großen, glücklichen Teddybär. Er soll Krankenhauspatienten in den Rollstuhl helfen und wieder hinaus. Bis zu eine Stunde lang hält seine Batterie. Noch ist RIBA in der Entwicklungsphase, doch kann er schon jetzt 61 Kilo mit seinen gepolsterten Armen heben, er kann Gesichter und Stimmen erkennen und auf rund 30 gesprochene Anweisungen reagieren.

Ein anderer Roboter, der in nicht allzu ferner Zukunft in Krankenhäusern und Pflegeheimen vorkommen soll, ist Hospi-Rimo (Remote Intelligence and Mobility). Er soll die Kommunikation zwischen Patienten, die nur eingeschränkt mobil sind, und ihren Pflegern und Ärzten, die sich in einem anderen Raum oder gar einer anderen Stadt befinden, verbessern. Dafür hat Hospi-Rimo nicht nur ein großes Grinsegesicht auf seinem Monitor, sondern kann sich auch eigenständig an einen festgelegten Ort bewegen, die Umgebung erkennen und Hindernissen ausweichen.

Eine der jüngsten Entwicklungen im Pflegesektor ist allerdings der Human Support Robot (HSR). Er ist kompakt gestaltet, wendig, mit einem zylindrischen Körper und Gelenkarmen. So kann der HSR unter anderem Dinge vom Boden aufheben oder aus dem Schrank holen.

"In der Pflege geliebter Menschen ist künstliche Intelligenz noch kein Ersatz für menschliche Aufmerksamkeit", schreibt Toyota, der Entwickler des Human Suport Robot, in einer Stellungnahme. "Ergänzend zum Vor-Ort-Betrieb kann der HSR auch aus der Ferne von Familie und Freunden bedient werden. Gesicht und Stimme des Bedienenden werden dabei in Echtzeit übertragen, so dass echte, menschliche Interaktion möglich ist, aber auch die Hilfe bei den täglichen Aufgaben."

Roboter im Sicherheitsdienst und an der Rezeption

Auch in anderen Bereichen sind Roboter in Japan auf dem Vormarsch: Entwickler Tmsuk Co. etwa hat sich mit der Sicherheitsfirma Alacom Co. zusammengetan, um einen Wach-Roboter zu entwickeln: Der soll auf Industriegeländen Patrouille laufen und Eindringlinge über Wärmesensoren entdecken. Steht er diesem dann Auge in Auge gegenüber, kann der Roboter ein Netz abfeuern, das dafür geeignet ist, jemanden gefangen zu halten, bis menschliche Verstärkung kommt.

Gesteuert wird der Wach-Roboter von einem Menschen, der über Video-Link Echtzeitbilder von vor Ort sehen kann - entweder in einem Sicherheitszentrum oder sogar auf dem Handy.

Und uniformierte Roboter gibt es schon jetzt im Hen-na Hotel, was so viel heißt wie "seltsames Hotel". Hier stehen sie an der Rezeption und bringen das Gepäck der Gäste aufs Zimmer. Im Juli wurde das Hotel im Huis Ten Bosch Themenpark bei Nagasaki eröffnet.

Pepper könnte den Haushalt schmeißen

"Man kann nicht wirklich einen Anfangspunkt für die Roboterära setzen. Es war eher eine schleichende Technologisierung, aber jetzt durchdringen die Maschinen tatsächlich auch unser Alltagsleben", sagt Tim Hornyak, Autor des Buchs "Loving the Machine: The Art and Science of Japanese Robots".

Seiner Ansicht nach galt Japan lange als Marktführer im Bereich industrielle Robotik, aber wurde eingeholt als die US-Firma iRobot Roomba auf den Markt brachte, den ersten robotischen Staubsauger. Mut macht ihm jetzt Pepper, ein intelligenter, menschenähnlicher Roboter, der von SoftBank entwickelt wurde.

Die Fähigkeit, eine Spülmaschine zu befüllen, einen Stapel Wäsche zu sortieren oder die Wohnung aufzuräumen, könnte ihn zum weltweit ersten, echten persönlichen Service-Roboter machen, glaubt Hornyak. 190.000 Yen kostet Pepper, umgerechnet etwa 1400 Euro. Hinzu kommen monatliche Gebühren. Für den Fortschritt seien die Entwickler sogar bereit, bei Pepper in den ersten vier Jahren draufzuzahlen, sagt Hornyak. "Und dann wird es so viele Apps geben, die den Roboter wahnsinnig attraktiv machen."