Jazzlegende Emil Mangelsdorff
10. April 2015Auch im hohen Alter von 90 Jahren wird sich der Grand Seigneur der deutschen Jazzszene nicht aufs Altenteil setzen und mit dem Saxophon-Spielen aufhören. Emil Mangelsdorff übt jeden Tag ein paar Stunden, um sich und seine Lunge in Form zu halten. "Wenn man täglich übt, ist das Organ gut ausgebildet", sagte er in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur. Auch 2015 hat er eine Reihe von Auftritten geplant: Er wird in München und in Augsburg spielen und bei einigen Jazzfestivals dabei sein.
Die Anfänge
Altsaxophonist Mangelsdorff wuchs in einer sehr musikalischen Familie in Frankfurt am Main auf. Schon damals - in den 1920er und 30er Jahren - lernte er, dass Musik eine Form des politischen Protestes sein kann. Die an die Macht gekommenen Nationalsozialisten betrachteten den Jazz als unpassend und stempelten ihn als "entartete Musik" ab, vermutlich weil er seinen Ursprung in der afro-amerikanischen Bevölkerung der USA hatte. Damals hörte Emil Mangelsdorff zusammen mit seinem Vater heimlich Jazzsendungen im belgischen Radio.
Der junge Mangelsdorff trat mit seiner Band Hotclub Combo in der "Rokoko Diele" auf, einem Hinterzimmer eines Frankfurter Hotels. Schon sehr bald zogen sie mit ihrer Musik die Aufmerksamkeit der Nazi-Behörden auf sich. Die Geheime Staatspolizei "Gestapo" wollte sehr genau wissen, was die jungen Musiker dort spielten und schickte Mitarbeiter zu den Konzerten. Im April 1943 wurde Emil Mangelsdorff schließlich von der "Gestapo" wegen sogenannter "Wehrkraftzersetzung" verhaftet um kam für zwei Wochen ins Gefängnis. Anschließend wurde er an die Ostfront geschickt. Als die Nazis 1945 kapitulierten, kam Mangelsdorff in russische Kriegsgefangenschaft. Erst 1949 wurde er entlassen und konnte wieder nach Hause kommen - und sein geliebtes Saxophon spielen.
Der Zeitzeuge
Diese Erfahrungen wahren so einschneidend, dass er davon jungen Menschen berichten wollte. Bis heute geht er in Schulen und erzählt von seinen Erlebnissen im Nationalsozialismus und im Krieg. Auch davon, dass er und seine Band sich deutsche Titel für die amerikanischen Jazznummern ausgedacht haben, um zu vermeiden, dass die "Gestapo" auf sie aufmerksam wurde. Aus dem "Tiger Rag" wurde beispielsweise die "Löwenjagd im Taunus" oder aus dem "St. Louis Blues" die "St.-Ludwigs-Serenade".
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Swing-Ära beendet und die deutschen Jazzer wollten den neuen Bebop spielen – auch Emil Mangelsdorff spielte jetzt diesen angesagten Stil. Fast bei jeder neuen Entwicklung im Jazz war er dabei. Seine Karriere entwickelte sich parallel zu der seines jüngeren Bruders Albert, der mit seinem vielstimmigen Posaunen-Stil weltberühmt wurde. Albert starb 2005 im Alter von 76 Jahren. Die beiden Brüder gingen getrennte musikalische Wege, spielten aber immer wieder zusammen.
Die Vielfalt
Emil Mangelsdorff spielte in vielen Formationen, unter anderem mit den deutschen Jazzgrößen Joe Klimm und Jutta Hipp. Mit dem Pianisten Wolfgang Dauner spielte er Free Jazz bei den German All Stars. Später trat er mit dem Jazz Ensemble des Hessischen Rundfunks auf und gründete eigene Bands. Hier ein Ausschnitt des Stücks "Blues for ever" mit dem Emil Mangelsdorff Quartett, ein Live-Mitschnitt vom Jazzfest Berlin aus dem Jahr 2010.
Bis heute nutzt Emil Mangelsdorff die starke politische Macht der Musik und tritt beispielsweise bei Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit oder bei Veranstaltungen von Gewerkschaften auf. Seinen Neunzigsten - so war zu lesen - feiert er im kleinen Freundeskreis.