"Jede Stimme muss zählen"
28. Oktober 2004
Florida war das Zentrum des Disputs bei der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Jahr 2000. Damals gewann Präsident Bush Florida mit einem Vorsprung von nur 537 Stimmen. Auch dieses mal steht der südlichste US-Staat wieder auf der Kippe. Präsident Bush und Senator Kerry machen sich beide Hoffnung auf die 27 Wahlmännerstimmen Floridas.
Lochkarten zu Wahlmaschinen
Seit der Wahl vor vier Jahren hat man dort die umstrittenen Lochkarten abgeschafft und durch moderne elektronische Wahlmaschinen ersetzt. Doch Probleme gibt es auch diesmal wieder. Ausgerechnet im Bezirk "Broward County", der schon bei der Wahl 2000 von sich Reden machte, sind knapp 60.000 Briefwahlunterlagen spurlos verschwunden. Die US-Post und die Wahlbehörde machen sich gegenseitig für den Verlust verantwortlich. In Ohio, einem anderen der heftig umkämpften Schlüsselstaaten, ist ein Rechtsstreit darüber entbrannt, wie die vom Gesetzgeber neuerdings vorgeschriebene provisorische Stimmabgabe für Wähler, die nicht in den örtlichen Wahllisten auftauchen, gezählt werden sollen. Nur in dem Wahlbezirk an dem der Wähler auch wohnhaft ist? Oder überall, wo eine provisorische Stimme abgegeben wird? In den USA gibt es weder eine Meldepflicht noch vorgeschriebene Ausweispapiere, das erschwert die Überprüfung. Vom Ausgang dieses Rechtstreits könnten bis zu 400. 000 Stimmen allein in Ohio betroffen sein.
Die Republikanische Partei befürchtet durch eine Manipulation der Wählerlisten könnten sich Personen das Wahlrecht erschleichen, die überhaupt nicht wahlberechtigt sind. "Wir wissen, dass sich Leute mit falschen Identitäten in die Wahlregister eintragen ließen im Austausch für Kokain", behauptet Parteichef Ed Gillespie. "Leute mit Phantasienamen wie Mary Poppins tauchen in den Wahllisten auf und in New Mexico haben 13- und 15-Jährige Wahlunterlagen erhalten, obwohl sie gar keine beantragt hatten."
Das Aufgebot der Demokraten: 10.000 Anwälte
Anders die Demokratische Partei. Sie hat bereits 10.000 Anwälte in die einzelnen Wahlbezirke entsandt, um sicherzustellen, dass auch jeder, der Wählen will, wählen darf. "Im Jahr 2000 hatten wir zwischen vier und sechs Millionen Wahlberechtigte, denen das Wahlrecht entzogen wurde", sagt Chat Culver, demokratischer Innenminister im Bundesstaat Iowa. "Das darf nicht noch einmal passieren."
Neben dem US-Justizministerium, das 1000 Beamte zur Wahlbeobachtung in die 50 Bundesstaaten entsandt hat, sind diesmal auch unabhängige Beobachter gekommen. Auf Einladung des US-Außenministeriums hat die "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit" (OSZE) in Europa 100 Wahlbeobachter in die USA entsandt. Eine von ihnen ist die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Der Deutschen Welle erläuterte sie, worauf die OSZE- Beobachter bei dieser Wahl ihr Augenmerk richten wollen. Etwa, ob die Bürger die Möglichkeit haben von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Wie sicher ist das Wahlverfahren und das Auszählungsverfahren? Kann der Wähler auch sicher sein, dass seine Stimme zur Geltung kommt? "Wie wird mit seiner Stimme umgegangen und dazu gehört auch die Frage: Kann man das festgestellte Ergebnis auch kontrollieren?", sagt Süßmuth. Fragen über Fragen, die nicht nur die OSZE-Beobachter über den Wahltag hinaus beschäftigen könnten.