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Jelzins Pakt mit den Oligarchen

Felix Riefer2. Juli 2016

Vor 20 Jahren wurde Boris Jelzin als russischer Präsident wiedergewählt. Für seinen Wahlerfolg ging er eine unheilvolle Allianz mit den russischen Oligarchen ein. Damit legte er den Grundstein für das heutige Russland.

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Russland Jelzin und Beresowski (Foto: picture alliance/AP)
Boris Jelzin (links) im Jahr 1998 mit dem Oligarchen Boris BeresowskiBild: picture alliance/AP Images/RIA Novosti Kremlin

Die Wahl ist zwei Jahrzehnte her, doch sie wirkt bis heute nach: Am 3. Juli 1996 wurde Boris Jelzin im zweiten Wahlgang mit 53,8 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Er gewann mit einem Vorsprung von rund 13 Prozentpunkten vor seinem Herausforderer, dem Kommunistenchef Gennadi Sjuganow. Ein solch eindeutiges Ergebnis galt vor der Wahl alles andere als sicher.

Manfred Sapper ist Chefredakteur der Zeitschrift Osteuropa, seiner Meinung nach kam es es 1996 zu einem Schulterschluss zwischen Politik und Oligarchen. Dieser sei "eine der entscheidenden Weichenstellungen" für das heutige Russland gewesen. "Das hat das Verhältnis zwischen unabhängigen Medien und Politik unglaublich belastet", sagte Sapper im Gespräch mit der Deutschen Welle. Pluralismus in der Medienlandschaft habe es nicht gegeben: Nur soweit, dass unterschiedliche Oligarchen unterschiedliche Fernsehsender kontrollierten. "Der Gleichklang und die absolut identische Berichterstattung in den unterschiedlichen Fernsehkanälen. Das war damals nicht beabsichtigt, aber im Kern war das der Ausgangspunkt für eine Entwicklung, die bis heute nachklingt", so Sapper.

Russland Putin und Jelzin (Foto: picture alliance/AP Images)
Nicht auf Augenhöhe: Putin und Jelzin im Jahr 1999Bild: picture alliance/AP Images

Arbeitslosigkeit und Hyperinflation

Mitte der 1990er Jahre erlebte Russland starke Veränderungen. Im Dezember 1993 wurde eine neue Verfassung verabschiedet. Darin wurde eine demokratische Gesellschaftsordnung festgeschrieben und an Stelle der Planwirtschaft wurde die Marktwirtschaft eingeführt. Außerdem wurde die Einhaltung der Menschenrechte proklamiert. Doch gleichzeitig verloren viele Russen ihre Arbeit und konnten von ihrem Geld, das von der Hyperinflation entwertet wurde, nicht mehr leben.

Die radikalen Reformen in Wirtschaft und Politik seien zwar "am Schreibtisch überzeugend geplant" worden, hätten aber nicht zu einer "raschen ökonomischen Erholung" geführt, so Gerhard Simon von der Universität Köln. In der Folge verlor Jelzin massiv an Zustimmung. Davon profitierte sein Gegner, der Kommunist Gennadi Sjuganow mit seinem Anti-Reformen-Programm.

Oligarchen starten Kampagne für Jelzin

Doch einige Wenige - darunter auch die Oligarchen - profitierten inmitten der wirtschaftlich schwierigen Zeiten finanziell, oft dank einem Mix aus Geschick und Skrupellosigkeit. Durch ihren wirtschaftlichen Einfluss gestalteten sie zunehmend die Politik. Sie hatten Angst vor einem Rückfall in die kommunistische Sowjetzeit und dem Verlust ihrer Vermögen. Um das zu verhindern, schlossen sie sich zusammen. Im Besitz der großen Medien des Landes, war es für sie ein Leichtes, eine Kampagne zur Unterstützung von Boris Jelzin zu starten.

Gemma Pörzgen, Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen, sagt, damals habe man noch eine viel größere Einschränkung der Freiheit befürchtet: "Man wollte den Rückfall in den Kommunismus verhindern. Es gab keine Diskussionen um die Pressefreiheit, die unter Jelzin noch gegeben war, und erst mit dem Machtantritt Putins zunehmend eingeschränkt wurde", sagte sie der DW. Die Gefahr eines Wahlsiegs der Kommunisten sei damals für viele Journalisten sehr real gewesen. "Wenn man heute darauf zurückblickt, gab es eine Verwechselung der Rollen. Viele Journalisten haben sich gegen die Kommunisten und zugunsten von Jelzin positioniert, aber dafür ihre journalistische Aufgabe, möglichst neutral zu berichten, zurückgestellt", erinnert sich Pörzgen.

KP-Vorsitzende Gennadi Sjuganow bei einer Demonstration in Moskau (Foto: EPA/Ilnitzky)
KPRF-Vorsitzender Gennadi Sjuganow im Jahr 2003Bild: picture-alliance/dpa

"Jelzin war das kleinere Übel gegenüber Sjuganow und aus heutiger Sicht das kleinere Übel gegenüber Putin", meint Gerhard Simon von der Universität Köln. Man habe sich damals für ein "Weitermachen in Richtung einer demokratischen Entwicklung Russlands" entschieden. Schließlich habe Jelzin die Pressefreiheit nicht angetastet. Bei aller Kritik sei er nicht der Mann gewesen, der "die Opposition grundsätzlich ausschalten wollte", so Simon.

Im Würgegriff der Oligarchen

Der Pakt mit den Oligarchen sicherte Jelzins Wiederwahl. Die Kommunisten verloren immer mehr an Bedeutung. Doch Jelzin konnte die Demokratisierung nicht weiterverfolgen und seine Zöglinge nicht im Zaum halten. Gesundheitlich schwach und politisch im Würdegriff der Oligarchen ließ er seinen Wunschkandidaten Boris Nemzow fallen und ernannte im August 1999 Wladimir Putin, einen Zögling des Oligarchen Boris Beresowski, zu seinem Nachfolger.

Putin setzte Jelzins Reformen nicht fort. Er verdrängte einige der damaligen Oligarchen aus der Politik und ersetzte sie durch eigene Freunde. Russland wurde unter seiner Präsidentschaft zunehmend autoritärer und antiliberaler. Die Grundlagen hierfür wurden nicht von Putin allein geschaffen. Sie wurden in jener Präsidentschaftswahl im Jahr 1996 gelegt. Osteuropa-Chefredakteur Manfred Sapper gibt jedoch zu bedenken: "Tatsache ist, dass niemand einen Masterplan für die Reform eines stark militarisierten, multinationalen Imperiums hatte. Es erfolgte nach dem Prinzip Versuch und Irrtum."