Jena und die Krux mit dem Aufstieg
5. September 2021Dass es sehr hart werden würde im ersten Bundesliga-Jahr, hat Trainerin Anne Pochert gewusst. "Die Klasse zu halten, ist sehr schwer, aber nicht unmöglich", hatte sie gegenüber der DW noch vor der 0:5-Klatsche in Potsdam am Freitagabend festgestellt. Eine Einschätzung, optimistisch vorgetragen, die aber auch die triste Situation vieler Aufsteigerinnen widerspiegelt: "Nicht unmöglich" ist die kleine Schwester von "sehr unwahrscheinlich".
Dabei war das Team aus Jena noch in seiner ersten Saison-Partie in der Vorwoche keineswegs auseinander genommen worden. Gegen Leverkusen wurde dem Team trotz 0:3-Niederlage eine starke Leistung attestiert. Das Team will diesen Mut behalten. "Wir wollen mitspielen und attraktiven Fußball spielen. Wir wollen uns nicht hinten rein stellen und auf die Null gehen, sondern offensiv spielen, die Räume schnell überbrücken“, beschreibt Pochert ihre Philosophie.
Für den zweiten Spieltag hatte sie sich mehr Reife ihres Teams gewünscht, eine bessere Chancenverwertung. Gegen Turbine Potsdam aber passierte das Gegenteil, ihre Mannschaft ging mit 0:5 unter. Zwei Spiele, acht Gegentore, vorletzter Platz. Aber: Es ist noch reichlich Zeit zum Lernen. Wie es mit der Philosophie des attraktiven Spiels angesichts wachsenden Drucks weitergehen kann, wird spannend.
Es gibt halt eine riesige Lücke zwischen der ersten und der zweiten Liga. Pochert kritisiert: "Mein Gefühl ist: Der Abstand ist noch größer geworden. Die finanziellen Mittel der großen Vereine wachsen, weil die Männerklubs mehr investieren. Und wenn man sieht, wie der DFB die Mittel vergibt, sieht man, dass die Verteilung immer weiter auseinander geht. Ein Regionalligist kann in der zweiten Liga durchaus mithalten. Aber wenn ein Zweitligist aufsteigt, ist er meistens sofort der erste Absteiger."
Die Jenaerinnen, die zuvor als FF USV Jena kurz vor der Insolvenz standen, haben unter dem Dach des FC Carl Zeiss ebenfalls frische Mittel zur Verfügung. Man sei finanziell in ruhigerem Fahrwasser, außerdem profitieren die Frauen von der Infrastruktur, von Videoanalysen und grundsätzlich professionellen Bedingungen. Aber der Unterstützer ist eben der Herren-Regionalligist Carl Zeiss Jena, nicht der finanzstarke FC Bayern München. Pochert sieht das Heil in größeren Investments der Männerklubs. Doch die Effekte sind widersprüchlich: Ligen rücken tatsächlich durch Investments oft sportlich enger zusammen. Dann aber sammeln sich zunehmend Gelder bei einzelnen Klubs an. Die Macht einer kleinen, herrschenden Elite ist kaum mehr zu brechen. Eine langfristige Lösung ist das nicht.
Und Jena? Will sich mittelfristig allen Widerständen zum Trotz im Tabellen-Mittelfeld der ersten Liga etablieren. "Sodass wir uns zur Saisonhälfte sagen können: Wir haben die Klasse gehalten und können frühzeitig in die Kaderplanung gehen. Wir wollen viele junge Spielerinnen ran führen", sagt Pochert. "Das geht nicht, wenn man immer gegen den Abstieg spielt." Ambitioniert. Und sehr schwer.
Die Spitze sortiert sich
Wie zu erwarten sind der FC Bayern, der VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim ohne Punkteverlust aus den ersten beiden Spielen gegangen. Die ersten Drei des letzten Jahres; sowie Eintracht Frankfurt, das sich gegen Freiburg allerdings schwer tat. Ein Team aber ist überraschend gut gestartet: die SGS Essen, die in einer lange schwachen Partie gegen Leverkusen spielerisch mehr überzeugte und mit dem 2:1-Sieg auf Platz fünf aufrückt.
Quote beim FC Sankt Pauli
Der FC Sankt Pauli hat eine Frauenquote in Vereinsgremien beschlossen. So sollen etwa der Aufsichtsrat, das Präsidium, der Ehrenrat und der Wahlausschuss mindestens mit 30 Prozent Frauen besetzt sein. Die Neuerung könnte eine sehr langsame Domino-Wirkung haben, trotz der heftigen Beharrungskräfte des Verbandsfußballs.
Ähnlich wie beim Thema Equal Pay, wo nun auch der irische Verband nachzieht: die irischen Nationalspielerinnen werden ab sofort gleich entlohnt wie die Männer. Kapitänin Katie McCabe nennt es einen "großen Tag für den irischen Fußball".
Meisterinnen und MeToo in Island
Die meisten europäischen Ligen beginnen gerade erst, in Island ist die Saison dagegen fast schon zu Ende. Wegen der klimatischen Bedingungen wird dort eine reine Sommerliga gespielt. Am aktuell vorletzten Spieltag stehen die Meisterinnen schon fest, es sind die Spielerinnen von Valur Reykjavík. Bundesligafans dürfte der Name bekannt vorkommen, der Klub unterlag gerade in der Champions-League-Qualifikation Hoffenheim. Fast nur Isländerinnen stehen im Kader - den Konkurrentinnen und Titelverteidigerinnen von Breiðablik sind sie dieses Jahr deutlich enteilt. In der Regel machen diese beiden die Meisterschaft untereinander aus, seit 1977 gingen zwei Drittel der Titel an einen von beiden Klubs.
Statt des Saisonhöhepunkts hat auf Island aber zuletzt vor allem ein MeToo-Skandal großen Ausmaßes im Fußball für Aufmerksamkeit gesorgt. Es geht um schwere Missbrauchsvorwürfe gegen isländische Männer-Nationalspieler. Der Verband soll Männer gedeckt haben. Die gesamte Vorstandsriege des nationalen Verbandes KSI ist nun zurückgetreten.