Jeremy Rifkins "Green New Deal"
9. Oktober 2019Der Mann ist so optimistisch, wie ein Amerikaner es nur sein kann, und so umweltbewegt wie eine junge Europäerin namens Greta Thunberg. Der US-Ökonom Jeremy Rifkin ist 74 Jahre alt, und er hat sich, wieder einmal, ein Jahrhundertproblem vorgenommen. Samt Lösungsvorschlag. Galt die Durchsetzung ambitionierter Schritte, um dem Klimawandel Einhalt zu bieten, bisher als direkter Angriff auf die wirtschaftliche Vernunft, so sagt Rifkin heute: "Die auf fossile Energie aufgebaute Zivilisation wird wahrscheinlich ohnehin um das Jahr 2028 herum kollabieren." Und Rifkin fügt gegenüber der DW auch gleich hinzu, warum: "Weil nun der Markt spricht."
Was "der Markt" genau zu sagen hat, wo es um das Ende der bisherigen Art der Energiebeschaffung geht, führt Rifkin in einem Buch aus, das er gerade in Deutschland präsentiert: "Der globale Green New Deal". Man hört auf Rifkin, der sich als Politikberater und wirtschaftlich versierter Zukunftsforscher einen Namen gemacht hat; seine bahnbrechende Arbeit über das "Ende der Arbeit" durch die aufkommende Digitalisierung ist mittlerweile gut zwanzig Jahre alt.
Die Wende betreibt der Markt
Nun also die Energiefrage und der Markt. Auch Rifkin sieht natürlich, "dass es schwer für die Leute ist, sich vorzustellen, dass wir vor einem Zusammenbruch der fossilen Energiezivilisation stehen, mit der wir 200 Jahre gelebt haben". Aber, so fügt er gegenüber DW hinzu: "In diesem Jahr werden die Kosten für Sonnen- und Windenergie die Kosten für Atomenergie, Öl und Kohle unterschreiten und auch die für Gas." Wir erlebten, so Rifkin, schon jetzt eine große Blase, die sich durch "gestrandete Kapitalanlagen in die fossile Energieindustrie" gebildet habe.
Die Zahlen dazu liefert Rifkin in seinem jüngsten Buch - auch wenn die Entwicklung hier manchmal schneller vonstatten geht, als dem gedruckten Papier lieb sein mag. So lag der Anteil erneuerbarer Energien weltweit 2017 nur bei drei Prozent. Aber Rifkin pocht auf die Wachstumsrate - die sei entscheidend. Und bei einem Anteil von 14 Prozent der erneuerbaren an allen Energiequellen sei ein Kipppunkt erreicht. Den Zusammenbruch einer Wirtschaft, die auf der fossilen Energie beruhe, betreibe dann der Markt.
Der Markt - das sind für Rifkin nicht zuletzt die großen US-Rentenfonds. Sie sind mit Investitionssummen von mehr als 41 Billionen Dollar im Jahr 2017 aus seiner Sicht ein vielversprechender Akteur der Energiewende: weg von den fossilen, einfach weil es sich nicht mehr rechnet, hin zu den regenerativen Energien.
Die Zeit drängt - wie die Demonstranten bei "Friday or Future" sagt das auch Rifkin gegenüber DW: "Wir haben zwölf Jahre, um unsere Zivilisation umzubauen oder wir stehen vor einem nicht mehr zu kontrollierenden Klimawandel." Da spricht der Klima-Autor, der sich mit den Ergebnissen der Klimaforschung in Einklang weiß. Rifkin sagt auch: "Das ist ein beängstigender Moment, aber es ist auch eine Chance." Nicht von ungefähr erinnert sein Schlagwort vom "Green New Deal" an den einstigen "New Deal": In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sorgte US-Präsident Franklin D. Roosevelt mit seinem "New Deal" für einen Ausweg aus der Weltwirtschaftskrise, unter anderem durch riesige Investitionsprogramme für Energie und Infrastruktur.
"Die Städte kommen ins Spiel"
Jetzt heißt der US-Präsident Trump, und der mag anderes zu tun haben, als das Klima zu retten. Der Ökonom Rifkin setzt auf andere Akteure. "Der Markt ist zwar ein machtvoller Akteur", so Rifkin im Gespräch mit DW. "Aber das ist nicht genug." Man brauche für die neue Zeit auch eine neue Infrastruktur, und da ist die öffentliche Hand gefragt: "Da kommen die Städte ins Spiel, die Regionen kommen ins Spiel." Von Nationalstaaten ist bei Rifkin nicht mehr so oft die Rede - er betrachtet große Räume wie die USA, EU-Europa oder China. Oder eben die kommunale Ebene.
"Regierungen müssen die Entwürfe für die neue Infrastruktur liefern, und sie müssen die kommunale Ebene in den Transformationsprozess einbeziehen." Vielleicht ist es ja das, was die Bundeskanzlerin Merkel meint, wenn sie im Blick auf das deutsche Klimapaket sagt: "Politik ist das, was möglich ist." Die Menschen mitnehmen, heißt so etwas in der Politiksprache.
Bei Rifkin wird deutlich, dass umgekehrt manchmal Proteste wie die der Klimabewegung die Politik "mitnehmen" müssen und aufzeigen, "was möglich ist". Rifkin: "Es ist schon gerechtfertigt, dass die Jungen auf die Straße gehen und ihren Eltern sagen: Kann ich auf diesem Planeten leben? Werden wir das überleben können?" Der Autor ist jedenfalls Optimist: "Wir haben die Instrumente für eine dritte Industrielle Revolution; es gibt die Technologie; und der Markt spricht, die Preise zeigen es", so Rifkin gegenüber DW: "Die Business-Modelle liegen vor."
Das Interview mit dem Ökonomen und Buch-Autor Jeremy Rifkin führte DW-Reporter Malte Rohwer-Kahlmann.