Israel erhöht Druck auf radikale Siedler
2. August 2015Nach dem Tod eines palästinensischen Kleinkinds bei einem Brandanschlag im Westjordanland verschärft die israelische Regierung ihr Vorgehen gegen jüdische Extremisten. Verteidigungsminister Mosche Jaalon genehmigte die Verhängung der bislang nur gegen Palästinenser angewandten sogenannten Verwaltungshaft. Diese Maßnahme erlaubt es den Behörden, Verdächtige ohne Anklage oder Urteil nahezu uneingeschränkt festzuhalten. "Dem jüdischem Terrorismus muss mit denselben Mitteln begegnet werden wie dem arabischen Terrorismus", erklärte Jaalon.
In der Nacht zum Freitag hatten mutmaßlich radikale jüdische Siedler das Haus einer Palästinenserfamilie in der Nähe von Nablus angezündet. Dabei war ein 18 Monate altes Kind ums Leben gekommen. Ein Bruder und die Eltern erlitten schwere Verbrennungen. Verdächtige wurden bislang nicht festgenommen. Kurz davor hatte ein ultra-orthodoxer Jude sechs Teilnehmer einer Schwulen- und Lesbenparade in Jerusalem mit einem Messer verletzt. Ein minderjähriges Opfer befindet sich in einem kritischen Zustand. Israel gilt gemeinhin als offen gegenüber Homosexuellen. Streng religiöse Israelis lehnen Homosexualität jedoch ab.
Tausende Israelis nahmen an mehreren Kundgebungen gegen Hass und Gewalt teil und verurteilten den Brandanschlag ebenso wie den Angriff auf die Schwulen- und Lesbenparade. Präsident Reuven Rivlin sagte, dass er sich schäme und dass das Land einen "Weckruf" brauche. "Jede Gesellschaft hat extremistische Ränder, aber heute müssen wir uns fragen: Was ist es, was hier in der Luft liegt, das es Extremismus und Extremisten erlaubt, unbesorgt im hellen Tageslicht zu wandeln?", sagte Rivlin bei der Jerusalemer Kundgebung. Er drängte auf harte Maßnahmen gegen radikale Juden. Der jüdische Oberrabbiner David Lau telefonierte mit dem palästinensischen Gouverneur von Nablus, Akram Rajoub, und verurteilte den Anschlag vom Freitag als "abscheulichen Mord".
Regierung prangert "jüdischen Terrorismus" an
Der Anschlag stieß international auf Entsetzen. In ungewöhnlich scharfen Worten verurteilte auch die israelische Regierung den Angriff, der von "jüdischen Terroristen" verübt worden sei. Radikale Siedler attackieren regelmäßig Palästinenser und deren Häuser, umgekehrt sind Siedler auch immer wieder Ziel von Angriffen radikaler Palästinenser. Nach palästinensischen Angaben verübten Siedler in den vergangenen zehn Jahren mehr als 11.000 Anschläge und Angriffe.
Menschenrechtsaktivisten, Palästinenser und die internationale Gemeinschaft werfen Israel vor, dass die meisten Angriffe straffrei bleiben. In einem seltenen Schritt rief Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu allerdings nach dem Anschlag Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an und versprach umfassende Ermittlungen. Gemeinsam mit dem israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin besuchte er zudem die Mutter und den Bruder des getöteten Kleinkinds im Krankenhaus.
Abbas Macht Israel verantwortlich
Abbas äußerte jedoch Zweifel am Willen Israels, nach "wahrer Gerechtigkeit" zu streben. Er machte zudem Israel "direkt" verantwortlich für den Tod des Kleinkindes, da nicht gegen radikale jüdische Siedler vorgegangen werde. Abbas wies seinen Außenminister an, eine Beschwerde beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einzureichen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Anschlag scharf und forderte beide Seiten auf, zum "Pfad des Friedens" zurückzukehren.
Nach dem Brandanschlag gab es gewaltsame Proteste. Bei Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee wurde am Freitagabend ein junger Palästinenser im Westjordanland angeschossen, er starb später im Krankenhaus. Eine Armeesprecherin sagte, dass ein "palästinensischer Verdächtiger" einen Brandsatz auf einen Armeeposten geworfen habe. Im von Israel besetzten Ost-Jerusalem wurden mehrere Palästinenser bei Zusammenstößen leicht verletzt.
ago/hf (dpa, afp, rtre)