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Jerusalemer Sorgen

Tania Krämer3. Mai 2016

Seit mehr als sechs Monaten dauert die Gewaltwelle in Israel und den palästinensischen Gebieten schon an. Zwar ist es in den letzten Wochen ruhiger geworden, doch eine Lösung ist nicht in Sicht. Tania Krämer, Jerusalem.

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Blick auf die Altstadt von Jerusalem (Foto: Krämer/DW)
Bild: DW/T.Kraemer

Bis unters Dach ist die Auto-Werkstatt vollgepackt mit Radkappen, Reifen und Werkzeugen jeglicher Art. Mittendrin sitzt Abu Fuad und wartet auf Kundschaft. "Im Moment läuft das Geschäft nur schleppend", sagt der palästinensische Automechaniker. Seit Beginn der Gewaltwelle vor mehr als sechs Monaten bleiben vor allem die israelischen Kunden weg. Abu Fuads Werkstatt liegt im arabischen Ostteil der Stadt. "Die Israelis haben keine Angst vor mir, sondern sie haben Angst wegen der angespannten Situation. Die, die noch kommen, kennen mich seit über zehn, fünfzehn Jahren", sagt Abu Fuad, der seine Werkstatt seit 20 Jahren im Ostjerusalemer Stadtviertel Wadi Joz betreibt. Das kleine Industrie-Viertel liegt nur wenige hundert Meter von der Altstadt entfernt und ist stadtbekannt für seine vielen Auto-Werkstätten, Waschanlagen und Auto-Zubehörgeschäfte. Israelis, die sonst den arabischen Ostteil der Stadt meiden, kamen hierher, um ihre Autos zu reparieren oder waschen zu lassen. "Unsere Preise sind hier günstiger als in West-Jerusalem", erklärt Abu Fuad.

Der Automechaniker Abu Fuad bei der Arbeit (Foto: Krämer/DW)
Sorgen um die Zukunft: Automechaniker Abu FuadBild: DW/T.Kraemer

Kein politischer Horizont

Doch es sind nicht nur geschäftliche Sorgen, die den 50-jährigen Familienvater umtreiben. "Man hat das Gefühl, dass die Situation immer aussichtsloser wird, und deshalb ist das alles jetzt explodiert", sagt Abu Fuad über die Gewalt, die in den vergangenen sechs Wochen 29 Israelis und vier Ausländern das Leben gekostet hat. Auf palästinensischer Seite starben mehr als 180 Menschen, unter ihnen mutmaßliche Attentäter, aber auch Zivilisten und Demonstranten. "Erst gab es die Probleme um die Al Aksa-Moschee. Aber ich glaube, es ist alles zusammen", sagt der Vater von fünf Kindern. "Fast 50 Jahre Besatzung haben die Menschen hier mürbe gemacht." Als Palästinenser fühle man sich ohne Rechte und es gebe keine Perspektive, dass sich daran etwas ändern wird. Dabei blickt er auf sein Elektrofahrrad, das an der Wand lehnt. Damit bewegt er sich in Ostjerusalem, weil er in Jerusalem nicht Auto fahren darf. Er ist zwar in Ost-Jerusalem verheiratet, kommt aber ursprünglich aus dem Westjordanland. Deshalb verweigern ihm die israelischen Behörden seit Jahren, seinen Autoführerschein umzuschreiben. "Das einzige, was ich wohl jemals von den Israelis bekommen werde, wird mein Totenschein sein", scherzt Abu Fuad - den Humor lässt er sich auch nicht in schwierigen Zeiten nehmen.

Nur wenige hundert Meter weiter, in West-Jerusalem, bereiten sich Moti und Eyal Maabari auf die Mittagszeit vor. Der Falafel-Imbiss von Vater und Sohn liegt auf der Haneviim-Strasse, nur wenige Meter von der virtuellen Grenze zu Ost-Jerusalem entfernt. "Es ist ja jetzt wieder etwas ruhiger geworden; was die Attacken anbelangt", sagt Sohn Eyal und kippt frische Falafelbällchen ins heiße Öl, "aber die Leute haben deutlich weniger Lust, sich auf der Straße aufzuhalten." Die meiste Kundschaft kommt von umliegenden Büros, oder es sind Touristen, wie Kenny Weiss aus New York. "Ich habe keine Angst. Ich komme aus New York, da gibt es mehr Messerstechereien als hier", sagt der Amerikaner. Andere Passanten sind da weniger optimistisch. "Es sind doch Ost-Jerusalemer, zum Teil mit israelischem Ausweis, die soviel Hass in sich haben, dass sie auf uns losgehen", sagt Avi, der auf der Haneviim Strasse wohnt. Er vermeide es jetzt, in die Jerusalemer Altstadt zu gehen und kaufe auch nicht mehr in arabischen Geschäften ein. "Beide Seiten sind für diese Situation verantwortlich, aber ich sehe momentan nicht, dass sich irgendetwas ändern wird."

Blick in einen Falafel-Imbiss in Westjerusalem (Foto: Krämer/DW)
Ein Treffpunkt des Viertels: Eyal Maabari im Falafel-Imbiss in WestjerusalemBild: DW/T.Kraemer

Skepsis über französische Friedensinitative

Auch die neue französische Friedens-Initiative sehen viele Israelis und Palästinenser skeptisch. Am 30. Mai will die französische Regierung einen Gipfel mit Außenministern aus verschiedenen Ländern einberufen, ohne palästinensische und israelische Vertreter, um eine "Friedenskonferenz" im Sommer vorzubereiten. Beide Seiten sollen dazu bewegt werden, Gespräche wieder aufzunehmen. Die palästinensische Führung in Ramallah hat das Vorhaben begrüßt, Israel hat den Vorstoß bereits abgelehnt.

Im West-Jerusalemer Falafel-Imbiss, einst Ziel eines Selbstmordattentates während der zweiten Intifada, glaubt man nicht daran, dass eine neue politische Initiative etwas Grundlegendes verändert. "Ich will eigentlich gar nicht über Politik reden. Aber es wird sehr langsam sein und Jahre dauern, bis sich hier etwas bewegen wird", sagt Ladenbesitzer Moti Maabari. Das befürchtet auch Abu Fuad, der Werkstattbesitzer in Wadi Joz. "Mal gab es eine französische, eine amerikanische, eine arabische Initiative - aber das alles ist am Ende doch leeres Gerede", sagt der 50-Jährige. Dabei sollte man froh sein, dass überhaupt jemand auf den Konflikt hier schaue, meint einer seiner Ladennachbarn. "Mit den Problemen in Syrien, dem Kampf gegen den IS ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern weit nach unten auf der internationalen Agenda gerutscht", sagt Sayed Abu Nishmeh, der ein kleines Geschäft für Autozubehör betreibt. Dabei wäre es an der Zeit, diesen langjährigen Konflikt ernsthaft anzugehen. "Die Menschen hier sind mittlerweile einfach nur noch ratlos."

Eyal Maabari im Falafel Imbiss in Westjerusalem (Foto: Krämer/DW)
Politik ist im Falafel-Imbiss bei Eyal Maabari weitgehend tabuBild: DW/T.Kraemer