Trauergottesdienst in Notre Dame
16. November 2015Vor der Kathedrale Notre Dame waren Absperrgitter aufgebaut, Polizisten kontrollierten jede Handtasche, jeden Rucksack. Nur langsam bewegten sich die Massen durch die Kontrollen. Der Trauergottesdienst war die erste und einzige Großveranstaltung, die an diesem Tag stattfinden durfte. Museen, der Eiffelturm, Straßenmärkte - alles sonst war geschlossen.
"Ich bin für unsere Freunde im Ausland hierher gekommen, damit sie verstehen, dass wir wirklich leiden. Wir werden ihnen das Glockengeläut schicken und Bilder von der Kathedrale, von unserer Trauer. Und wir wollen ihnen zeigen, mit wie viel Stärke und Würde die Pariser dieses Ereignis meistern." Diese Bürgerin von Paris war eine unter Tausenden, die sich vor der Kathedrale Notre Dame versammelt hatten, einem der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt, um gemeinsam zu trauern. 3000 Trauergäste, unter ihnen die Bürgermeisterin von Paris, Ex-Premierminister Alain Juppé, und der ehemalige Präsident Giscard d'Estaing, sowie Angehörige und Freunde der Opfer, konnte das Gotteshaus im Inneren aufnehmen.
Der Sonntag der Trauer
Einer älteren Dame vor der Kirche kamen die Tränen: "Ich wohne in dem Quartier, wo die Anschläge stattgefunden haben. Wir sind doch alle Nachbarn da, und jetzt sind so viele tot. Es ist furchtbar." Auch viele junge Leute waren unter den Trauernden: "Als Pariser musste man doch heute hier her kommen, um für die Opfer zu beten", sagte ein junger Mann, dessen verweinte Freundin sich an seinen Arm klammerte. "Und wir wollen auch den Familien der Opfer zeigen, dass wir bei ihnen sind." Ein starkes Gefühl der Solidarität war in der Menge zu spüren, manche trugen kleine Trikoloren, blau-weiß-rote französische Fähnchen in Händen. Um 18.15 Uhr dann, kurz vor Beginn der Totenmesse, erklangen die weittragenden Glocken der Kathedrale, auch für entfernte Zuschauer hinter den Absperrgittern ein Moment der gemeinsamen Stille und des Innehaltens.
Das Element des Nationalgefühls kehrte dann auch im Gottesdienst wieder, als der Organist an einer Stelle Variationen über die Nationalhymne, die Marseilleise, in sein Spiel einflocht. Und der Erzbischof von Paris sprach in seiner Predigt von der schweren Situation, in der sich die Stadt Paris und das ganze Land befänden. "Männer und Frauen wurden grausam hingerichtet", sagte Bischof André Vingt-Trois, "für den Hass und die Morde gibt es keine rationale Erklärung". Die Werte der Franzosen, die sie verteidigten, seien angegriffen worden. "Jetzt ist der Moment, Solidarität zu entwickeln." Er forderte zum gemeinsamen Gebet auf, nicht nur für die Opfer und ihre Familien, sondern für das ganze Land.
Die Stadt ist nervös
Noch im Verlauf des feierlichen Requiem wurden plötzlich die großen Tore zum Platz geschlossen, wo die Menschen zumindest aus der Ferne das Geschehen verfolgten. Kurz darauf wurde klar, dass es wohl aus Sicherheitsgründen geschehen war. Eine Reihe von schwarzen Limousinen brachten die Offiziellen von dem Gottesdienst weg. Unruhe kam auf der der Kathedrale, Soldaten mit Maschinenpistolen zogen an den Absperrgittern auf. Die ersten Menschen begannen den Platz zu verlassen: "Die Polizei hat gesagt, wir sollen nach Haus gehen. Es ist nicht sicher hier, es ist etwas passiert", rief eine Frau. In den umliegenden Straßen das unablässige Sirenengeheul der Krankenwagen, über Notre Dame ratterten die Rotoren eines Helikopters, Polizisten rannten plötzlich hinter die Kathedrale. Die Masse strömte langsam zu den Ausgängen. Manche Grüppchen flüchteten sich in die umliegenden Cafés und Restaurants, wo das Licht ausgeschaltet wurde.
Zehn Minuten später stellte sich heraus, dass eine Massenpanik auf der Place de la République, wo weitere tausende von Parisern mit Kerzen und Blumen der Opfer gedachten, den Alarm ausgelöst hatte. Das Gerücht, dass dort wieder Schüsse gefallen seien, hatte den erneuten Großalarm ausgelöst. Die überlasteten Handynetze trugen dazu bei, dass die Kommunikation zusammenbrach, und die nervösen Menschen begannen zu fliehen. Die Nerven liegen blank dieser Tage in Paris, selbst wenn viele die Normalität beschwören, zu der man so schnell wie möglich zurückkehren will.