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"Jetzt weiß die ganze Welt, dass das tunesische Volk leidet"

18. November 2005

Der Weltinformationsgipfel war überschattet von massiven Vorwürfen an Tunesien, die Pressefreiheit und die Menschenrechte zu missachten. Der oppositionelle Journalist Rashid Khashana zieht im DW-WORLD-Interview Bilanz.

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Rashid KhashanaBild: DW

DW-WORLD: Hat der Weltinformationsgipfel der tunesischen Regierung genutzt oder geschadet?

Informationsgipfel in Tunesien Rashid Khashana
Rashid KhashanaBild: DW

Die Regierung wollte der Welt Tunesien als liberales, demokratisches Land präsentieren, aber alle haben gesehen, dass das nicht so ist. Tunesien ist ein sehr verschlossenes Land, fast so wie Nordkorea, Syrien oder Libyen. Nach diesem Gipfel weiß jeder auf der Welt, dass das tunesische Volk unter seiner Regierung leidet, denn sie unterdrückt ihr eigenes Volk. Unser Image in den internationalen Medien ist nach diesem Gipfel ganz schlecht.

Trotz der Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land haben nur wenige Länder diese Zustände offen angeprangert. Hätten Sie sich da mehr erwartet?

Ich hätte erwartet, dass sich die UNO, aber vor allem auch die europäischen Regierungen mehr für Menschenrechte und Pressefreiheit einsetzen würden. Nur die US-Regierung hat klare Worte gefunden. Der Rest blieb sehr zurückhaltend. Das kann doch für unsere Regierung nur das Signal sein, einfach so weiterzumachen wie bisher.

Wie ist es, als oppositioneller Journalist in Tunesien zu arbeiten?

Meine Zeitung hat es sehr schwer. Wir haben nur wenige Büros im Land. Mehr können wir nicht eröffnen, da wir von der Polizei und Mitgliedern der Regierungspartei daran gehindert werden. In vielen Läden darf unsere Zeitung nicht verkauft werden. Alle Zeitungen im Land bekommen staatliche Unterstützung, nur wir nicht. Wir dürfen auch keine Werbung machen. Wir leben nur von unseren Verkäufen. Und stellen Sie sich vor: Wir können uns nur in unserem eigenen Medium äußern. Sie geben uns gerade einmal drei Minuten Redezeit im Fernsehen und nur fünf Minuten im Radio alle fünf Jahre, dann wenn Wahlen sind.

Ihr Präsident Ben Ali gilt als Internetfan – Wie finden Sie das?

Er mag ein Internetfan sein, sein Regime ist sicherlich kein Internetfan. Viele Internetseiten in Tunesien sind gesperrt. Unsere Redaktion kann keine E-Mails empfangen. Wir müssen Telefone nutzen, um uns zu informieren.

Im Pressezentrum des Weltgipfels waren die Internetseiten, die sonst in Tunesien nicht zugänglich sind, wie z.B. die von Reporter ohne Grenzen, frei zugänglich. Waren diese Seiten im Rest des Landes zu sehen?

Außerhalb des Weltgipfels wurden die Seiten weiter blockiert. Wir haben versucht, auf die Seiten britischer, französischer oder Schweizer Medien zuzugreifen. Aber es ging nicht.

Acht Oppositionelle haben nach 32 Tagen am Freitag ihren Hungerstreik beendet. Sie protestieren gegen die Menschenrechtsverletzungen in Ihrem Land. Wie geht es Ihnen und wie soll es jetzt weitergehen?

Die Männer sind alle noch sehr schwach, sie wollen sich aber nach ein paar Tagen Ruhe wieder in der Öffentlichkeit äußern. Wir haben ein Nationales Komitee gegründet, das die Arbeit der tunesischen Oppositionskräfte und NGOs koordinieren soll. Sie versuchen in den nächsten Wochen, eine nationale Konferenz für Frieden und Demokratie einzuberufen, die am Ende dieses Jahres oder Anfang des nächsten Jahres in Tunesien stattfinden soll.

Fürchten Sie, dass nach dem Gipfel die tunesische Regierung ihre repressiven Maßnahmen wieder verschärft?

Ja leider schon. Es gibt derzeit schon rund 500 politische Gefangene. Viele Leute wurden von der Polizei gefoltert und misshandelt.

Rashid Khashana ist Chefredakteur der oppositionellen Wochenzeitung Al-Mawkif und Korrespondent von Al Hayat mit London

Das Interview führte Steffen Leidel