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Grenzüberschreitendes Arbeiten

Sabrina Pabst 3. Juli 2013

Viele Jugendliche in der EU sind arbeitslos - zugleich herrscht in Ländern wie Deutschland ein Mangel an Fachkräften. Die europäische Plattform EURES soll Arbeitgeber und Arbeitssuchende zueinander bringen.

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Das blaue Schild mit den gelben EU-Sternchen zeigt die Aufschrift Nederland. Das Schild steht zwischen den Niederlanden und Deutschland (Foto: Friso Gentsch dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Zum Arbeiten über die Grenze – für einige EU-Bürger ist das Alltag. Sie pendeln regelmäßig in die Nachbarländer oder arbeiten in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Viele von ihnen sind durch die Internetplattform EURES auf freie Stellen im EU-Ausland aufmerksam geworden.

EURES, das ist die Abkürzung für "European Employment Services". Dahinter steht ein Netzwerk von Unternehmen und Arbeitssuchenden. Nicht nur die Länder der EU, auch die Schweiz arbeitet hier mit. EURES unterstützt die Jobsuchenden aber auch die Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Arbeitskräften. Öffentliche Arbeitsverwaltungen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind Partner des Netzes, das von der Europäischen Kommission koordiniert wird.

Jobchance durch grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung

In Zeiten eines Krisen-erschütterten europäischen Arbeitsmarktes ist es eine gute Plattform, um innerhalb der gesamten Europäischen Union auf Jobsuche zu gehen. Doch gerade mal zwei Prozent der europäischen Bürger leben und arbeiten außerhalb ihrer Heimat.

Der junge Spanier Jon Serrano sägt in Bad Homburg ein Stück eines Kupferrohrs ab. (Foto: Nicolas Armer/dpa)
Junge Menschen erwerben im Ausland Fähigkeiten, die sie in ihrer Heimat einsetzen könnenBild: picture-alliance/dpa

"EURES ist ein wichtiges Instrument auf dem Arbeitsmarkt; das Netzwerk bietet einen EU-weiten Überblick, schafft Transparenz und kann so mithelfen, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, statt nur auf einen geschlossenen Arbeitsmarkt zu blicken", sagt Claudia Süß, EURES-Beraterin bei der Agentur für Arbeit in Mönchengladbach. Während ihrer täglichen Arbeit kommt Claudia Süß mit Menschen in Kontakt, die eine Arbeitsstelle - auch außerhalb Deutschlands - suchen. Die Arbeitsvermittlerin stellt Interessierten EURES vor und lädt zu Treffen zwischen Arbeitssuchenden und Unternehmen aus Deutschland oder den Niederlanden ein. Für viele Arbeitssuchende ist ein Job in den Niederladen durchaus attraktiv, denn die Grenze zum Nachbarland ist nur etwa 40 Kilometer entfernt.

EURES will Menschen, die sich beruflich entwickeln wollen, mehr Transparenz schaffen. So kann ein Beschäftigter – unabhängig davon, ob er Arbeitssuchend ist oder einen Job hat – Berufserfahrung über die Grenze hinaus gewinnen. "Wenn Fachkräfte in einer grenznahen Region wohnen, können sie ausloten, ob auch wegen der Unterschiede im Steuer- und Sozialsystem ein Job in einem anderen EU-Staat Vorteile bringt", sagt Arbeitsvermittlerin Claudia Süß.

Ein Muss: Freiwillige Mobilität

Doch auch diesem EU-Programm sind Grenzen gesetzt. Nicht nur die europäische Wirtschaftskrise macht sich bei der Vermittlungschance bemerkbar. Die Nachfrage an Arbeitsplätzen und Arbeitskräfte ist saisonal sehr unterschiedlich. "Wenn zum Herbst oder Winter in bestimmten Berufen die Arbeitslosigkeit zunimmt, dann suchen Arbeitskräfte auch grenzüberschreitend." Aufgrund der Nähe der Arbeitsmärkte sei der Bedarf der Unternehmen in den Berufen oft gleich, so dass auf beiden Seiten der Grenze Arbeiter mit ähnlichen Qualifikationen gesucht würden.

"Wir können niemanden zwingen, sein soziales Umfeld aufzugeben. Dann irgendwo in Europa zu arbeiten, wo ein Mangel an Arbeitskräften herrscht, um zwei Jahre später ins nächste Land zu wandern. Das löst Arbeitslosenprobleme in Europa nicht", sagt Jutta Steinruck, Sozialdemokratin im Europaparlament. "Das sind nicht die Lebenskonzepte, die die Mehrheit der Menschen in Europa wollen."

"Höhere Mobilität löst nicht die Jugendarbeitslosigkeit"

Die Berichterstatterin im Europäischen Parlament arbeitet für die Sozialdemokraten in dem Programm "Sozialer Wandel und Innovation", das innerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens bis 2020 aufgelegt wurde. EURES ist eins der Programme, dessen überarbeitete Inhalte in den kommenden Wochen verabschiedet werden. "Die europaweite Vermittlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird massiv verstärkt", sagt Jutta Steinruck. Voraussetzung sei aber eine freiwillige Mobilität. Menschen, die dazu bereit sind, will man mit dem Programm unterstützen.

Junge Menschen sitzen zusammen in einem Sprachkurs. Vorne im Bild ist ein Langenscheidt-Taschenwörterbuch. (Foto:
"Sprache ist ein Schlüsselelement, wenn Menschen in Europa mobil sein wollen"Bild: picture-alliance/JOKER

"Eine höhere Mobilität der Arbeitnehmer ist aber nicht die Lösung der Jugendarbeitslosigkeit. Wir können nicht alle jungen Menschen aus Regionen, wo hohe Zahlen von Arbeitslosigkeit bestehen, zwingen, in ein anderes Land zu gehen und dort einen Arbeitsplatz anzunehmen." Die Europaabgeordnete sieht nur eine Lösung: "Wir müssen Unternehmen in die Lage versetzen, dass sie Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen." Dazu müsse in Strukturen vor Ort investiert werden. Mobilitätsprogramme könnten nur ergänzend sein, sagt die Sozialdemokratin.

"Junge Menschen für den Heimat-Arbeitsmarkt fit machen"

Kritisch betrachtet Jutta Steinruck die Entwicklung, wenn junge Fachkräfte ihre berufliche Erfahrungen in wirtschaftlich starken Ländern sammeln: "Große deutsche Unternehmen werben junge Menschen an, um sie für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen." Das Ziel müsse sein, dass deutsche Unternehmen diese jungen Menschen auch für den Heimatarbeitsmarkt fit machen; den Heimatländern erfahrene Fachkräfte abzuziehen hätte fatale Folgen für die Wirtschaft dort vor Ort.

Jutta Steinruck sieht die Entwicklung hin zu einer mobilen und flexiblen jungen Generation mit Sorgen. Es würden junge, unerfahrene Menschen aus ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld gerissen. "Die Wanderbewegungen auf dem Arbeitsmarkt haben auch soziale Folgen. Die genauen Auswirkungen kennen wir noch nicht."

Willkommens-Kultur erwünscht

In den Gastländern fehlten oft die notwendigen Strukturen, die über das Jobangebot hinaus reichen würden: "Es gehört mehr 'Willkommenskultur' für diejenigen, die beispielsweise in Deutschland bleiben wollen, dazu. Wir müssen ja auch den Menschen die Chance geben, sich niederzulassen und eine Familie zu gründen."

Jutta Steinruck bemängelt an verantwortlichen Politikern, aus der Vergangenheit nicht gelernt zu haben. Gastarbeiter-Bewegungen gibt es schon seit den 1950er und 60er Jahren in Deutschland. Viele einstige Gastarbeiter seien bis heute noch nicht vollständig in die Gesellschaft integriert. Den Fokus ausschließlich auf die wirtschaftlichen Vorteile mobiler Menschen zu lenken sei fatal. So wie damals gelte auch heute: "Es kommen Arbeitskräfte, aber es bleiben Menschen."