"US-Demokratie lädiert, aber nicht gebrochen"
8. Februar 2023Die Demokratie sei "lädiert, aber nicht gebrochen", sagte Joe Biden mit Blick auf die politischen Auseinandersetzungen in den USA zwischen seinen Demokraten und den oppositionellen Republikanern. Damit bezog er sich auch auf die Erstürmung des Kapitols in Washington vor zwei Jahren durch Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump.
Darüber hinaus pries Biden die US-amerikanische Stärke, mit schweren Zeiten umzugehen. "Wir sind das einzige Land, das aus jeder Krise stärker hervorgegangen ist", sagte Biden mit Blick auf die Corona-Pandemie und wie sich die US-Wirtschaft seitdem wieder erholt.
Ausgestreckte Hand
Ausdrücklich richtete Biden sich an die Republikaner und lud sie zur konstruktiven Kooperation ein: "An meine republikanischen Freunde: Wenn wir im letzten Kongress zusammenarbeiten konnten, gibt es keinen Grund, warum wir in diesem neuen Kongress nicht zusammenarbeiten können".
So lud er sie ein, ihre Vorstellungen zur künftigen Finanz- und Steuerpolitik zu präsentieren und sie mit denen der Demokraten zu vergleichen und dann zu einem gemeinsamen Konsens zu kommen. Dafür erhielt er Applaus von beiden politischen Lagern.
Biden betonte, dass die Bürgerinnen und Bürger "eine klare Botschaft" senden: "Zu kämpfen um des Kämpfens willen, Macht um der Macht willen, Konflikt um des Konflikts willen - das führt uns nirgendwo hin. Und das war immer meine Vision für das Land: die Seele der Nation wiederherzustellen, das Rückgrat Amerikas - die Mittelklasse - wieder aufzubauen, das Land zu vereinen."
Wirtschaftliche Erfolge
Viele Menschen seien in den vergangenen Jahren "zurückgelassen" worden oder so behandelt worden, als seien sie "unsichtbar", sagte Biden. "Deswegen bauen wir eine Wirtschaft auf, in der niemand zurückgelassen wird. Jobs kehren zurück, Stolz kehrt zurück wegen der Entscheidungen, die wir in den letzten beiden Jahren getroffen haben."
In seinen ersten beiden Amtsjahren seien im Land zwölf Millionen Jobs geschaffen worden, so viele wie noch unter keinem US-Präsidenten in vier Jahren. Ein weiterer Punkt, den er unter dem Beifall seiner Demokraten ansprach, war Steuergerechtigkeit. Es dürfe nicht sein, dass Milliardäre weniger Steuern zahlen als Lehrer oder Angehörige anderer Berufe. Auch müssten Ölgesellschaften, die "horrende Gewinne" einstrichen, künftig höhere Steuern zahlen.
Die Erderwärmung nannte Biden eine "existenzielle Bedrohung" und rief dazu auf, mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen.
Gegen Ende seiner Rede wandte sich Biden an die Eltern des durch Polizisten getöteten Tyre Nichols und appellierte an alle Amerikaner, dass sie sich für ein gewaltfreies Miteinander einsetzen. Und Polizisten, die gegen die Regeln verstoßen, müssten für ihre Taten haftbar gemacht werden.
Auftakt zum Wahlkampf?
Vor Beginn seiner Ansprache begrüßte Biden den neugewählten Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy mit der launigen Bemerkung, er wolle den Ruf McCarthys nicht beschädigen, aber er freue sich auf die Zusammenarbeit. Auch die ehemalige Sprecherin, Nancy Pelosi, wurde von Biden unter großem Applaus begrüßt.
Die Rede zur Lage der Nation gilt üblicherweise auch als inoffizieller Auftakt zum Wahlkampf. Der 80-jährige Präsident erwägt derzeit, ob er 2024 für eine zweite Amtszeit kandidieren will - Beobachter halten dies für höchst wahrscheinlich. Allerdings sind viele Anhänger seiner Demokratischen Partei Umfragen zufolge der Auffassung, dass diese für 2024 einen anderen Kandidaten aufstellen sollte.
mak/bru (rtr, afp, dpa)