Johnny Strange: "Zwischen Party und Politik"
18. Juli 2013DW: Johnny, ohne jetzt eine psychotherapeutische Sitzung zu starten: Gibt es etwas, was "strange" an Johnny ist?
Johnny Strange: Ja, so einiges wahrscheinlich. Aber ich bin eher im positiven Sinne "ein Fremder", weil ich zwischen den Welten pendle. In Afrika bin ich weiß. In Deutschland bin ich schwarz. Aber überall fühle ich mich zu Hause. Und das gilt auch für die Musik: Ich mag es, mich in verschiedenen Genres zu bewegen - vom Underground bis in den Popbereich fühle ich mich wohl. Ich bin sozusagen der Weltwanderer, der irgendwie "strange" ist und trotzdem überall rein passt.
Dazu sollte man wissen: Ihr Vater ist aus Uganda, Ihre Mutter ist Deutsche und Sie leben in Berlin.
Culcha Candela ist im Reggae- und Dancehall-Bereich zu Hause. Was ist das für eine Szene?
Positive Inspiration
Die Reggae- und Dancehall-Szene ist unser Ursprung. Da haben wir angefangen, aber noch gemixt mit Salsa. "Culcha" in Culcha Candela bedeutet, dass wir verschiedene Kulturen und Stile mixen, auch Sprachen - Deutsch, Spanisch, Englisch. Berlin ist sehr bunt und immer lebendig - da kommt auch immer was dazu.
Also ist Dancehall eine sehr lebendige Musik, die sich immer vermischt mit anderen Stilen, auch dem HipHop sehr nah ist und so immer neue Kreuzungen entstehen. Und deswegen ist die Szene so spannend, weil es einfach immer eine Entwicklung gibt in dieser Musik!
Reggae ist oft gesellschaftskritisch. Dancehall bringt Partystimmung. Culcha Candela verbindet beides. Was ist der Band politisch wichtig?
Sowohl in der Musik als auch in der Politik geht es uns im weitesten Sinne einfach um positive Inspiration, also dass man das Leben schätzt und auch die Möglichkeiten, die man hat. Gerade in Deutschland haben wir die maximale Freiheit und sollten das auch nutzen! Die Möglichkeiten zu sehen, das ist immer wichtig für Politik. Sich nicht immer in die Opferposition zu begeben und nicht zu sagen "Ich kann ja sowieso nichts machen!" Das ist unser politisches Hauptstatement in unserer Musik und auch privat: Wir können sehr wohl was verändern, wir müssen es nur machen! Deswegen positiv!
Mit Musik Perspektiven schaffen
Positiv. Und Culcha Candela macht es mit Musik.
Reggae ist meistens eine Musik die zum Nachdenken anregt und sagt: Ey, man kann noch viel verbessern an dieser Gesellschaft! Und deswegen ist das auch unsere Musik. Am Anfang haben wir extrem viel Wert auf politische Botschaften gelegt. Deswegen sind wir auch so krass in der Reggae-Ecke gelandet, unsere Texte waren zu politisch für die HipHopper.
Wir haben seitdem unseren Stil sehr verändert, gehen vor allem aber nicht mehr so viel auf die politische Schiene. Wir halten den Zeigefinger nicht immer im Vordergrund hoch, sondern eher im Hintergrund, und bringen die gute Laune nach vorne. Aber wir tun eben mehr! Das heißt: Auch mit der Musik kann man viel bewegen. Man kann Aktionen starten. Wir haben viele Projekte, die wir unterstützen und auch eigene Projekte.
Sonne, Lebensfreude und Gemeinschaftsgefühl
Ihr Projekt heißt "Afrika RISE".
Der Verein "Afrika RISE" feiert in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen mit einem großen Konzert und viel Unterstützung aus der deutschen Musikszene. Wir fördern Bildungsprojekte in Uganda, unterhalten dort eine Berufsschule für handwerkliche Ausbildung, wo man Jugendlichen auf dem Dorf eine Chance gibt, dass sie Schneider werden können, Schreiner, Maurer oder Mechaniker, und sich dort damit eine Perspektive schaffen.
Musik spielt da eine ganz wichtige Rolle?
Genau! Wir finanzieren das ganze Projekt durch Geld, das wir mit Musikprojekten zusammenbekommen. Wir haben mit einer CD angefangen. jetzt gibt's Konzerte, CDs, DVDs – beispielsweise auch über HipHop in Uganda – und T-Shirts. Wir versuchen uns immer wieder Neues auszudenken, was Spaß macht, damit man etwas zurückbekommt. Und musikalisch ist Uganda ein Wunderland! Ich freue mich immer sehr, wenn ich da bin, denn ich höre dort eine sehr positive, sehr lebendige Musik.
Die Menschen feiern Musik. Die Kinder tanzen von klein an und man bewegt sich einfach frei. Das ist sehr ansteckend wenn man da ist! Dort habe ich tanzen gelernt, frei zu sein, aus sich raus zu kommen. Das ist für mich das Beste was es gibt! Mit den Leuten zusammen. Man gibt sich viel Kraft. Man ist eins und hat dieses Gemeinschaftsgefühl. Und in der Musik lebt man das aus.
Das "Afrika RISE"-Projekt geht jetzt noch einen Schritt weiter…
Ende August starten wir "Welcome to Uganda". Da ermöglichen wir Kulturreisen nach Uganda – das wird nachhaltiger Tourismus. Interessierte, nette Menschen können da unsere Projekte besuchen und darüber ganz direkt einen Austausch erleben. Uns geht es da auch um den kreativen, künstlerischen Austausch – Afrika mit seinen Potentialen statt immer nur mit seinen Mankos wahrzunehmen. Die Leute in Uganda haben durchaus Perspektive und sehr viel Power und gute Sachen, von denen auch wir viel profitieren können. Und ich finde, gerade in der Musik liegt dort großes Potential für die Zukunft. Wir wollen mit "Afrika RISE" versuchen, den Leuten hier einen Zugang zu dieser Musik zu schaffen: Also viel Sonne, die rüber kommt. Viel Lebensfreude. Ein solcher Austausch ist glaube ich wichtig für die Entwicklung auf beiden Seiten!
Das Interview führte Peter Zimmermann.
Mit "Hamma" schafften Culcha Candela 2007 den Durchbruch in der deutschen Reggae- und Dancehall-Szene: Sie spielen coole Musik und engagieren sich für eine bessere Welt. Zudem ist Culcha Candela politisch und sozial engagiert. Sänger Johnny Strange - mit bürgerlichem Namen John Lwanga - gründete im April 2008 die Organisation "Afrika RISE", deren Ziel es ist, mit Musik die Aufbauarbeit in Afrika und den Austausch zwischen Deutschland und Afrika zu fördern.