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Journalisten geraten zunehmend unter Druck

19. Januar 2011

Pressefreiheit hat einen hohen Stellenwert. Sie gehört zu den Grundrechten, die im Grundgesetz garantiert werden, so weit die Theorie. In der Praxis gibt es allerdings auch in Deutschland Missstände, die zu denken geben.

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Symbolbild Pressefreiheit: Der Schatten einer Hand ist auf einem Fotografier-Verbotsschild zu sehen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance / dpa

"Beihilfe zum Geheimnisverrat" lautete der Vorwurf und zugleich die Begründung der Staatsanwaltschaft dafür, dass 2005 die Redaktionsräume des Magazins "Cicero" in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam und die Wohnung eines Journalisten durchsucht wurden. Anlass war ein Bericht, in dem aus geheimen Unterlagen des Bundeskriminalamtes zitiert wurde. Der Fall "Cicero"‘ ist einer der spektakulärsten in der jüngeren Vergangenheit, aber längst nicht der einzige.

Kein Wunder, dass Deutschland in der jährlich aktualisierten Liste der Pressefreiheit lediglich Platz 17 belegt. Erstellt wird diese Liste von der Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen", die 1985 von Journalisten in Frankreich gegründet wurde. Vorstandssprecher der in Berlin ansässigen deutschen Sektion ist Michael Rediske - und der wundert sich keineswegs über das vergleichsweise schlechte Abschneiden.

Vorbild Skandinavien

Michael Rediske von "Reporter ohne Grenzen" (Foto: D. Gust)
Michael Rediske von "Reporter ohne Grenzen"Bild: D. Gust

Spitzenreiter in Sachen Pressefreiheit sind seit Jahren skandinavische Länder. In Schweden seien die staatlichen Behörden sogar gehalten, den Schutz von Informanten zu garantieren, sagt Rediske. In Deutschland sei das leider nicht der Fall. Immer wieder gebe es Durchsuchungen von Redaktionen. Umso mehr freut sich Rediske darüber, dass die schon einige Jahre zurückliegende Durchsuchung des Hamburger Radiosenders "Freies Sender Kombinat" vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt wurde. In der Anfang Januar 2011 veröffentlichten Begründung heißt es, die Durchsuchung der Räume des Radiosenders und die Sicherstellung von Redaktionsunterlagen stellten einen Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit dar (Aktenzeichen 1BvR 1739/04 und 1BvR 2020/04).

Ein Ende staatlicher Eingriffe hält Rediske trotz dieses Erfolges für unwahrscheinlich: "Die Strafverfolgungsbehörden werden immer wieder versuchen, diesen Informantenschutz zu durchlöchern."

Im Zweifel für die Pressefreiheit

Auf die Rechtssprechung des höchsten deutschen Gerichts konnten sich Journalisten schon häufiger verlassen. So wurde das Gesetz zur sogenannten Online-Durchsuchung gekippt, das dem Staat unter bestimmten Voraussetzungen die heimliche Überwachung privat genutzter Computer ermöglicht hätte. Auch das Gesetz zur verdachtsunabhängigen Speicherung des gesamten Telekommunikationsverkehrs, die sogenannte Vorratsdaten-Speicherung, war nicht verfassungskonform. Beide Gesetze hätten die Arbeitsbedingungen für Journalisten beeinträchtigt, weil sie vor möglichen Ausspähungen nicht mehr sicher gewesen wären.

Gefahr für die Pressefreiheit besteht aber auch aus anderen Gründen. Die im Grundgesetz garantierte Staatsferne ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk latent bedroht, weil in den Aufsichtsgremien zahlreiche politische Vertreter ihren Einfluss geltend machen. Hohe und höchste Posten werden so nach dem parteipolitischen Proporz-Prinzip vergeben. Wer es in der Hierarchie weit bringen will, muss über das passende Parteibuch verfügen oder zumindest als einem bestimmten Lager nahestehend gelten. Das ist eine seit Jahrzehnten eingeübte Praxis, die dem Opportunismus förderlich ist.

Klagen gegen Zustände beim ZDF

Roland Koch und ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender (Foto: DPA)
Roland Koch (links) und ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender (Archivbild 2007)Bild: picture-alliance / SCHROEWIG/Eva Oertwig

Ein Beispiel dafür findet sich beim landesweit sendende "Zweite Deutsche Fernsehen". Die Vertragsverlängerung des langjährigen Chefredakteurs Nikolaus Brender wurde Ende 2009 von der konservativen Mehrheit im Aufsichtsrat verhindert. Stellvertretender Vorsitzender war der damals amtierende Regierungschef des Bundeslandes Hessen, Roland Koch, der inzwischen in die Privatwirtschaft gewechselt ist. Koch begründete die Ablehnung Brenders mit schlechten Einschalt-Quoten des ZDF.

Die Einmischung von politischer Seite war in diesem Fall so offenkundig, dass andere Parteien mit Hilfe von Gerichten eine Änderung des Staatsvertrages erreichen wollen. Eine gute Idee, meint Michael Rediske. Dass fast die Hälfte der Gremien-Mitglieder im ZDF aus Parteien und Regierungen kommt, hält der Vorstandssprecher von "Reporter ohne Grenzen" für verfassungswidrig. "Die entsprechenden Verfassungsklagen von Sozialdemokraten und Grünen werden von uns unterstützt", betont Rediske.

Wirtschaftliche Abhängigkeiten

Vorsitzender des Deutschen Journalisten- Verbandes, Michael Konken (Foto: DPA)
Vorsitzender des Deutschen Journalisten- Verbandes, Michael KonkenBild: picture alliance/dpa

Unter Druck gerät die Pressefreiheit aber auch durch veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Ganze Regionen Deutschlands werden von einzelnen Verlagen beherrscht, Meinungsvielfalt bleibt da schnell auf der Strecke. Zeitungs- und Zeitschriftenverbände wollen massive Verschlechterungen bei Gehältern und Honoraren durchsetzen. Aus Rücksicht auf Werbekunden werde immer häufiger Druck auf Journalisten ausgeübt, weiß der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, aus vielen Gesprächen mit Kollegen. Er befürchtet, dass der Journalismus zunehmend entwertet wird. "Das kann nicht im Sinne der Pressefreiheit in Deutschland sein, auch nicht im Sinne einer qualitativ guten Berichterstattung und vor allem nicht im Sinne einer funktionierenden Demokratie", beklagt Konken.

Michael Rediske von "Reporter ohne Grenzen" teilt die Skepsis von Konken, dessen Gewerkschaft die Interessen von rund 38.000 Mitgliedern vertritt. "Das verstärkt sicherlich das, was man auch Selbstzensur nennen kann", befürchtet Rediske, also vorauseilenden Gehorsam in Redaktionen, die einem immer größer werdenden politischen und wirtschaftlichen Druck ausgesetzt sind. Wie gut oder wie schlecht das dem Journalismus bekommt, dafür gibt es zahlreiche Indikatoren. Einer davon ist Platz 17 in der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen".

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz