JPMorgan muss Milliarden blechen
20. November 2013"Wir sind bereit, eine auf den Deckel zu bekommen." JPMorgan -Chef Jamie Dimon ist gewohnt direkt, als er Ende September im Büro von US-Justizminister Eric Holder vorspricht. Es geht um die Aufarbeitung der Banksünden aus der Vergangenheit. Dimon will reinen Tisch machen, um dieses Kapitel abzuhaken. Zwar sei er nach wie vor der Meinung, dass die US-Großbank bei Hypothekengeschäften vor der Finanzkrise keine "gravierenden Fehler" gemacht habe. Doch einen Rechtsstreit mit der Regierung will der stets selbstbewusst auftretende Top-Banker auf jeden Fall verhindern - und nimmt deshalb Vergleichsverhandlungen mit der US-Justiz auf.
Knapp zwei Monate später hat sich JPMorgan in der Nacht zu Mittwoch mit den Behörden geeinigt: Das Institut bezahlt für die Beilegung des Streits 13 Milliarden Dollar. Der größte Vergleich in der Geschichte der USA ist aus Sicht der Regierung ein wichtiger Schritt hin zu ihrem Ziel, die Banken für ihr Verhalten vor der Finanzkrise zur Verantwortung zu ziehen. "Zweifellos hat das hier aufgedeckte Verhalten dazu beigetragen, die Saat für den Kollaps an den Hypothekenmärkten zu legen", sagte Justizminister Holder.
JPMorgan hat vor der Finanzkrise - wie viele andere Banken auch - mit milliardenschweren Immobilienkrediten besicherte Wertpapiere verkauft. Nach dem Platzen der US-Immobilienblase wurden viele Papiere weitgehend wertlos. Mehrere Käufer, darunter zahlreiche Banken, gerieten in finanzielle Schwierigkeiten und wurden vom Staat gerettet, die Finanzkrise nahm ihren Lauf - zuerst in den USA, dann in Europa.
Einigung trotz Uneinigkeit
JPMorgan habe eingeräumt, Investoren beim Verkauf von Wertpapieren zwischen 2005 und 2007 hinters Licht geführt zu haben, erklärte das Justizministerium. Da bei der Bündelung und dem Weiterverkauf von Hypothekenkrediten meist mehrere Zwischeninstanzen eingeschaltet waren, konnten die Anleger aus Sicht der Behörden die wahren Risiken der Papiere nicht erkennen. Auch Mitarbeiter von JPMorgan haben eingeräumt, dass manche Papiere nicht den gängigen Standards entsprochen haben.
Von einem generellen Schuldeingeständnis will JPMorgan aber nichts wissen. Die Bank habe im Rahmen des Vergleichs nicht eingestanden, gegen irgendwelche Gesetze verstoßen zu haben, betonte Finanzchefin Marianne Lake in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Der Vergleich könne somit in anderen Prozessen nicht als Schuldeingeständnis gewertet werden. JPMorgan und die US-Regierung bleiben damit trotz der Vereinbarung in der Sache weiter uneins.
Da viele andere Banken vor der Finanzkrise ähnliche Geschäfte wie JPMorgan gemacht haben, müssen sie sich aus Sicht von Experten ebenfalls auf saftige Strafzahlungen einstellen. "Jetzt halten alle Banken den Atem an", sagte Professor James Cox von der amerikanischen Duke Universität. "Sie wissen, dass auf sie nun auch große Summen zukommen werden." Die US-Behörden haben wegen des Verkaufs von Hypothekenkredite zahlreiche internationale Großbanken ins Visier genommen, darunter auch die Deutsche Bank. Deutschlands größtes Geldhaus, das für Rechtsstreitigkeiten insgesamt mehr als vier Milliarden Euro zurückgelegt hat, wollte sich am Mittwoch nicht zu den Konsequenzen des JPMorgan-Vergleichs für die Bank äußern. In Finanzkreisen wird immer wieder betont, dass Rückschlüsse wegen unterschiedlicher Aktivitäten beider Geldhäuser schwierig seien.
Weitere Strafen drohen
JPMorgan hat in den vergangenen Jahren deutlich mehr verdient als die Deutsche Bank und kann die 13-Milliarden-Buße deshalb vergleichsweise gut wegstecken. Das Geldhaus hat nach eigenen Angaben bereits genügend Geld für Strafzahlungen zurückgelegt, so dass der Vergleich die künftigen Ergebnisse der Großbank nicht belasten dürfte. Im dritten Quartal hatten hohe Sonderlasten das erfolgsverwöhnte Geldhaus zum ersten Mal seit fast zehn Jahren in die Verlustzone gedrückt.
Von den 13 Milliarden Dollar muss JPMorgan neun Milliarden Dollar in bar zahlen. Weitere vier Milliarden gibt die Bank indirekt an Kunden weiter, beispielsweise über verbilligte Kredite. Da JPMorgan Teile der Strafe von der Steuer absetzen kann, wird die Vereinbarung das Geldhaus nach Einschätzung von Experten unter dem Strich rund neun Milliarden Dollar kosten.
Der Rekordvergleich hat sich zuletzt bereits abgezeichnet, Reuters hatte über die Grundsatzeinigung bereits vor Wochen berichtet. Alle Rechtsstreitigkeiten vom Tisch hat Bank-Chef Dimon damit aber noch lange nicht. Gegen JPMorgan laufen noch eine Vielzahl an Verfahren und Ermittlungen, unter anderem wegen der angeblichen Manipulation des Referenzzinssatzes Libor und der Einstellung von Kindern von Regierungsbeamten in China.