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Kliam-Skepsis bei Pazifik-Jugend

Maximiliane Koschyk27. November 2015

Der steigende Meeresspiegel droht Pazifikstaaten wie Samoa und Vanuatu zu verschlucken. Die jungen Bewohner der Inseln sind skeptisch, ob der Klimagipfel in Paris daran etwas ändern wird.

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Vanuatu Sturm 2015
Bild: IFRC/Hanna Butler

Selbst in einem Raum voller junger Menschen aus aller Welt sticht Tim Baice heraus. Hinter sein linkes Ohr hat er sich eine pinke Blüte geklemmt, groß wie er ist, kann er die Menge mühelos überblicken. Auf dem One Young World Forum in Bangkok fällt er auch durch seine ruhige Art auf.

"Es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, dass auf einem der nächsten One Young World Foren keiner mehr Tuvalu, Kiribati, Vanuatu oder Samoa repräsentieren könnte“, sagt der junge Mann aus Samoa. "Weil wir dann kein Land mehr hätten."

Mit anderen jungen Führungskräften aus aller Welt hat sich Baice auf der Jugendkonferenz in Bangkok getroffen. Von Wirtschaftsthemen bis zu humanitären Herausforderungen wird dort alles diskutiert.

Ein Thema überschattet jedoch alle anderen: Klimawandel. Nur zwei Wochen vor der 21. UN-Klimakonferenz in Paris, versuchen Baice und andere Teilnehmer ihre Regierungsoberhäupter zu einem erfolgreichen Ausgang der Konferenz zu bewegen.

Erderwärmung vor der Haustür

Während der Konferenz trifft sich Baice mit Annette und Paulo, Delegierten aus Vanuatu und Timor-Leste. Sie sind sehr bedrückt, was die Probleme ihrer Heimat angeht. Für die jungen Menschen aus den Pazifikstaaten ist Klimawandel nicht nur eine abstrakte Bedrohung, sondern findet direkt vor ihrer Haustür statt.

Kleine Inseln wie Kiribati laufen nicht nur Gefahr vom steigenden Meeresspiegel überschwemmt zu werden. Das veränderte Klima hat in der Pazifikregion auch öfters und stärkere Stürme hervorgerufen - wie der Zyklon Pam im Frühjahr diesen Jahres.

Thailand One Young World Summit in Bangkok 2015 - Tim Baice
Tim Baice aus Samoa ist skeptisch über einen Erfolg in ParisBild: DW/M. Koschyk

Die junge Ärztin Annette Garae arbeitete in der Nacht, als der Tropensturm Pam auf ihre Heimatinsel Vanuatu zuraste. "Wir wurden für einen Notkaiserschnitt in den OP gerufen", erinnert sich Garae an ihre Schicht. Zum selben Zeitpunkt traf der Wirbelsturm auf Land.

"Man konnte den Wind sehen und wir mussten Patienten in ein neues Gebäude evakuieren - es war beängstigend." Mutter und Kind überleben die Operation. Aber die eigentlichen Herausforderungen beginnen für die Mediziner erst als "Pam" wieder von dannen zieht.

Thailand One Young World Summit in Bangkok 2015 - Paulo Dos Santos Borges
Tropensturm Pam war die schlimmste Naturkatastrophe in der Geschichte VanuatuBild: DW

"Der Klimawandel wird sie krank machen"

"Fast alle unserer Ressourcen und Gebäude wurden zerstört," erzählt Garae der DW. Abgesehen davon, dass es jetzt für viele Bewohner Vanuatus schwieriger wird medizinisch versorgt zu werden, sind sie nun auch vermehrt Infektionskrankheiten ausgesetzt. "Sie werden mit dem fortschreitenden Klimawandel ansteigen", davon ist die Ärztin überzeugt.

Auch Paulo Dos Santos Borges von der Bildungsorganisation Science of Life Schools muss sich nun vermehrt mit Gesundheitsfragen auseinandersetzen. Seine Organisation bietet Schulen, Unterkünfte und Ausbildungen für junge Menschen in Timor-Leste an. Der steigende Meeresspiegel hat die Sanitäranlagen der Schulgebäude beeinträchtigt. "Das Wasser ist schnell mit Fäkalien kontaminiert", sagt er.

Thailand One Young World Summit in Bangkok 2015 - Annette Garae
Die junge Ärztin Annette Garae arbeitete in der Nacht als 'Pam' in Vanuatu tobteBild: DW/M. Koschyk

Das ehemalige Osttimor war lange Zeit eine portugiesische Kolonie, danach indonesische Provinz. Erst 2002 erlangte das Land seine Unabhängigkeit. Die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut, für den jungen Staat sind Gesundheitsversorgung und Bildung noch immer zwei der größten Herausforderungen. Der Klimawandel erschwert nun jeglichen Fortschritt.

Kleine Inselstaaten müssen sich zusammentun

Baice, Garae, Dos Santos Borges und andere Teilnehmer der Pazifikstaaten bleiben auf der Konferenz viel unter sich. Abends treffen sie sich gemeinsam in einem der Parks Bangkoks zum Essen.

Osttimor medizinische Versorgung Klinik Familie
Klimawandel erschwert die Gesundheitsversorgung im verarmten Timor-LesteBild: Emily Richmond

"Einer der Höhepunkte der Konferenz war für mich zu sehen, wie wir ganz ungezwungen zusammen kamen ohne nationale Abgrenzungen", sagt Baice. "Aber wie können wir das mit nach Hause nehmen und dort Veränderungen und ein Umdenken unserer Regierungen bewirken?" Seiner Meinung nach sind die Pazifikstaaten nicht organisiert genug, um einstimmig ihre Probleme zu artikulieren.

"Wir machen auf jeder Insel etwas anderes, es ist sehr unkoordiniert", sagt er gegenüber der DW. Das erschwere es für junge Leute für eine gemeinsame Sache zu kämpfen. Stattdessen kämpfe jede kleine Gruppe mit ihren eigenen Problemen.

Als Kommunikationsberater für den Jugendrat von Samoa hat Baice auch die Teilnehmer der größeren Länder in Ozeanien, etwa Australien und Neuseeland angesprochen. Seine Hoffnung auf Unterstützung wurde enttäuscht."Es hat sie nicht interessiert, was die Inselstaaten durchmachen", sagt er. "Für sie ist es einfach kein Thema". Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Inselstaaten finde sich auch auf der politischen Ebene wieder, meint Baice.

Hoffen auf Paris?

Baice verweist auf das Treffen der Regierungsoberhäupter der Inselstaaten mit dem damaligen australischen Premierminister Tony Abbott Anfang September. Bei dem Forum der Pazifikinseln hatte Tuvalus Premier gemeinsam mit anderen Polynesischen Staatschefs Australien um ein Moratorium des Kohleabbaus und Handels in der Region gebeten, doch Abbott lehnte ab, selbst im direkten Gespräch.

Australien Tony Abbott Premierminister
Der ehemalige Premierminister Australiens Tony Abbott lehnte ein Kohle-Moratoriam zugunsten des Klimaschutzes abBild: picture-alliance/epa/S. Moody

"Ich fand, das war eine so kalte und herzlose Reaktion, im Grunde geht es ihm nur darum das Australien Geld verdienen muss", sagt Baice bekümmert.

Obwohl Abbott nun nicht mehr Premierminister ist, bleibt Baice skeptisch im Hinblick auf das COP21-Treffen Ende November in Paris. "Ich habe wenig Hoffnung, dass dieses Treffen irgendetwas erreichen wird", sagt Tim Baice. Wenn die eigenen Nachbarn schon nicht die Probleme der Pazifikstaaten verstehen, wie soll es dann die restliche Weltgemeinschaft tun? "Geld zählt, die Wirtschaft und der Kapitalismus werden sich nicht ändern". Zumindest nicht für ein paar Inselstaaten, denkt Baice.

Die junge Ärztin Garae ist optimistischer. "Ich bin dankbar, dass ich hier gemeinsam mit meinen benachbarten Pazifikstaaten bin", sagt sie. "Allein dadurch, dass wir hier sind können wir unserer Stimme Gehör verschaffen".

Garae ergänzt, dass sie auf der Konferenz in Bangkok verstanden hat, dass die Pazifikstaaten nicht die einzigen mit diesem Problem sind. "Es gibt auch noch andere kleine Inseln in Asien und andernorts, die die gleichen Probleme haben".

Zyklon "Pam" verwüstet Pazifikstaat Vanuatu DEU
Vielen ist Timor-Leste kein Begriff, sagt Entwicklungshelfer Paulo Dos Santos BorgesBild: DW/M. Koschyk

Dos Santos Borges stimmt ihr zu. Viele kannten seine kleine Insel Timor-Leste vor der Konferenz gar nicht, aber sie wissen, dass der Klimawandel für viele kleine Inseln ein Problem ist - und für alle anderen auch.