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Youtubes "LGBT-Filter"

24. März 2017

Youtubes eingeschränkter Modus soll Kinder und Jugendliche vor unangemessenen Inhalten schützen. Doch auch harmlose Videos aus der LGBT-Community werden geblockt. Selbst ein gemeinnütziger deutscher Verein ist betroffen.

https://p.dw.com/p/2ZvFZ
Screenshot - Youtube
Bild: Youtube

Die britische Videobloggerin Rowan Ellis war eine der ersten, der das Problem aufgefallen war. Scrollt man auf Youtube auf den unteren Teil der Seite und stellt den "eingeschränkten Modus" ein, werden zahlreiche Videos nicht mehr angezeigt, die schwule, lesbische, bi- oder transsexuelle Themen behandeln: "40 meiner Videos sind in dem Modus nicht zu sehen." Darunter auch ein Video, das sie mit ihrem Vater gedreht hatte. In dem Video gibt er anderen Eltern Tipps, wie man sein Kind, das lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell ist, unterstützen kann.

Die Funktion wurde von Youtube 2010 eingeführt, laut dem Unternehmen soll sie vor allem "Institutionen wie Schulen" helfen, die Inhalte besser zu kontrollieren. Einmal eingeschaltet sollten "Obszönitäten, Gewaltdarstellungen" oder Videos über "bestimmte Krankheiten wie Abhängigkeiten oder Essstörungen" nicht mehr auffindbar sein, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme von Youtube.

Das Ganze funktioniert. Nur leider zu gut. Zahlreiche Videos, die mit den Begriffen "schwul", "lesbisch", "transsexuell" oder "bisexuell" beschriftet wurden, sind im eingeschränkten Modus "möglicherweise unangemessen". Oder anders ausgedrückt: Man kann sie nicht anschauen.

Nur sieben Videos nicht geblockt

Auch der deutsche gemeinnützige Verein queerblick e.V. ist davon betroffen. Von den insgesamt 462 Videos auf dem Kanal des Vereins sind nach der Aktivierung des Modus nur noch sieben verfügbar. Als "möglicherweise unangemessen" wertet Youtubes Algorithmus auch Videos mit Titeln wie "Coming-out als trans*: Nic erzählt seine Geschichte" oder "Saure Gurken und ein Liter Milch - Michelle auf der Fragecouch".

Paul Klammer, Vorstand und Gründungsmitglied des gemeinnützigen Vereins Queerblick.tv
Journalist Paul Klammer hat den Verein queerblick mit Freunden gegründetBild: privat

Paul Klammer, Mitbegründer des Vereins und Teil des Vorstands, ist erst nach der in den USA und Großbritannien losgetretenen Debatte darauf aufmerksam geworden: "Das ist schon ziemlich heftig", sagt er im Gespräch mit der DW. Was die sieben nicht gesperrten Videos von den anderen 455 des Vereins unterscheidet, kann er auch nicht sagen. 

Der Wissenschaftsjournalist hat den Verein im Jahr 2009 gemeinsam mit zwei Freunden gegründet. Sie wollten anderen jungen Menschen authentische Vorbilder anbieten. Damals war das Angebot von LGBT-Videos im Internet noch sehr gering und Mitbegründer Falk Steinborn, ebenfalls Journalist und Medientrainer, hatte in seiner damaligen Diplomarbeit sogar ermittelt, dass sich Jugendliche aus der LGBT-Community mehr Videos im Internet wünschen, die sich mit ihren Thematiken befassen.

Ausgezeichnet vom Bundesfamilienministerium - von Youtube gesperrt

Mittlerweile hat der Youtube-Kanal des Vereins knapp 38.000 Abonnenten, das Projekt wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, zuletzt sogar vom Bundesfamilienministerium. Die Videos, die der Verein auf dem Youtube-Kanal veröffentlicht, werden alle unter professioneller Anleitung von Medientrainern angefertigt. "In den Videos geht es um die Sorgen und Nöte, die junge Menschen in dem Alter und insbesondere schwule, lesbische, bi- oder transsexuelle Menschen umtreiben", so Paul Klammer.

Der Verein veröffentlicht seine Videos auch im lokalen Lernsender nrwision im deutschen Fernsehen, doch Youtube sei für die Verbreitung der Videos sehr viel wichtiger, so Klammer. Auch Youtuberin Rowan Ellis betont, wie wichtig Youtube für Menschen ist, die sich über ihre geschlechtliche Identität nicht im Klaren sind: "Es gibt viele junge wie alte Menschen, die große Angst haben und sich falsch in ihrem Körper fühlen. Onlinevideos haben diesen Leuten oft geholfen, da sie mit niemanden über das Thema sprechen können", so Ellis im Gespräch mit der DW.

Youtube: "Es tut uns leid"

23.500 Personen haben den Kanal der jungen Frau abonniert und sie ist offizielle Botschafterin für Youtube in Großbritannien: "Ich weiß, dass sie das Thema Vielfalt ernst nehmen, viele im Unternehmen haben viel dafür getan", so Ellis. Dass jedoch ihre Videos gesperrt werden, und gleichzeitig extrem beleidigende Kommentare unter ihren Videos öffentlich einsehbar sind, macht Ellis wütend: "Ich musste zehn Gastmoderatoren bitten, mir zu helfen, da ich nicht schnell genug durch die Kommentare durchkam."

Vom Unternehmen kam bisher recht wenig. Einzig auf einem Blog, der sich speziell an Youtube-Produzenten richtet, gab es einen kurzen Blogbeitrag. Auf Anfrage der DW bestätigt das Mutterunternehmen Google, dass es keine weiteren Stellungnahmen oder Erkenntnisse zur Thematik gebe.

In der Stellungnahme gibt Youtube zu, dass die Funktion nicht so arbeite, wie sie sollte: "Es tut uns leid und wir werden das richten." Doch seit der Ankündigung sind bereits mehrere Tage vergangen und nichts ist geschehen. Einzig ein paar ausgewählte Videos hat das Unternehmen aus der Filterblase des eingeschränkten Modus herausgenommen.

Hashtag: Die Youtube-ist-vorbei-Party

Nur 1,5 Prozent der auf Youtube angeschauten Videos würden im eingeschränkten Modus angeschaut, sagt das Unternehmen. Aber man verstehe, dass es hier "ums Prinzip" gehe. Für Youtuberin Rowan Ellis und viele andere Nutzer ist dieses Eingeständnis nicht genug. Unter dem Hashtag #YoutubeIsOverParty riefen einige dazu auf, sich zusammenzuschließen und eine neue Plattform zu gründen.

Denn eine Alternative zu Youtube gibt es nicht wirklich. Das sagt auch Youtuberin Ellis: "Das soll kein Aufruf zum Boykott sein, sondern eher ein symbolischer Ausruf. Und wir werden es so lange laut sagen, bis Youtube etwas ändert."

Auch Paul Klammer und sein Verein queerblick wollen erst einmal keine Konsequenzen aus der Geschichte ziehen: "Youtube ist eine Plattform, die LGBT-Blogger und Produzenten überhaupt erst groß gemacht hat und diese immer unterstützt hat." Trotzdem fordert auch er, dass der Filter überarbeitet wird: "LGBT gehören zu der Welt, in der wir leben. Ob man sie im Internet ausblendet oder nicht."