Julian Assanges Vater hofft auf Hilfe aus Berlin
10. Oktober 2020Vor einem Jahr, im Oktober 2019, war er schon einmal in Berlin: John Shipton, Vater des in Großbritannien inhaftierten Julian Assange. Das von den USA beantragte Auslieferungsverfahren stand dem Australier damals noch bevor. Inzwischen hat er zwar die Anhörung hinter sich, die Entscheidung soll aber erst Anfang Januar 2021 verkündet werden. Assanges Sorgen, tatsächlich ausgeliefert zu werden, dürften kaum kleiner geworden sein. John Shipton war deshalb in dieser Woche wieder in der deutschen Hauptstadt und warb erneut um Unterstützung für seinen Sohn.
Im Bundestag traf er Abgeordnete und Mitarbeiter aller Fraktionen. Sie wollen sich gemeinsam für eine humanitäre Lösung einsetzen. Fast alle teilen die Zweifel auf einen fairen Prozess in den USA. Im Sommer hatte die US-amerikanische Justiz die Anklage gegen Assange ausgeweitet: Angeblich soll er geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan an die Whistleblowerin Chelsea Manning weitergegeben haben. Frühere Wikileaks-Dokumente hatten Kriegsverbrechen durch US-amerikanische Soldaten enthüllt.
Letzte Hoffnung Europa-Parlament
Der 76-jährige Vater des gesundheitlich schwer angeschlagenen Assange ist dankbar für die Unterstützung aus Deutschland. Während des Auslieferungsverfahrens in London fanden weltweit Solidaritätsaktionen statt. Nun hofft Shipton, mit Unterstützung des Europa-Parlaments die Situation für seinen Sohn verbessern zu können. Sollte das misslingen, befürchtet er das Schlimmste.
Der Umgang mit anderen Whistleblowern wie etwa Edward Snowden lässt da nichts Gutes hoffen. Kein westliches Land war bereit, dem Enthüller der globalen Internet-Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA Asyl zu gewähren. Snowdens Fall vor Augen hält es Shipton für möglich, dass die Menschenrechte in Europa und der ganzen Welt "zusammenbrechen".
Die Hoffnung auf ein faires Verfahren hat er schon lange aufgegeben. Großbritannien wirft Shipton vor, die eigenen Gesetze nicht anzuwenden. "Sonst würde Julian hier sitzen und nicht ich", sagt der Vater bei einem Pressegespräch in Berlin, zu dem nur eine Handvoll Journalisten gekommen sind.
Linken-Politikerinnen kritisieren deutsche Untätigkeit
Die deutschen Linken-Politikerinnen Heike Hänsel und Sevim Dagdelen setzen sich schon lange für Assange ein. Hänsel konnte die Anfang Oktober beendete Anhörung in London immerhin über eine Videoleitung verfolgen. So sah sie, wie der 49-jährige Wikileaks-Gründer hinter seinen Verteidigern in einem Glaskasten sitzen musste.
Sevim Dagdelen nennt das Verfahren eine "juristische Farce". Sollte die britische Justiz Assanges Auslieferung an die USA befürworten, müsste das nach Dagdelens Auffassung aber nicht zwingend umgesetzt werden. Da sei auch Deutschland als ein "großer Player" in der Europäischen Union gefragt, um auf dieser Ebene Einfluss zu nehmen.
Ihr Argument: "Wenn man von einer wertebasierten, menschenrechtsorientierten Außenpolitik spricht, wie das in Berlin oft getan wird, darf man bei Julian Assange nicht schweigen."
Deutschlands Außenminister Heiko Maas hält sich zurück
Doch genau dazu hat sich der deutsche Außenminister Heiko Maas entschlossen – zumindest öffentlich. Das machte der Sozialdemokrat in dieser Woche im Bundestag deutlich. Er habe bislang nicht zu denen gehört, die sich zu Wort gemeldet hätten, "und ich werde auch in Zukunft nicht zu denjenigen gehören".
Die Inhaftierung Assanges in einem Hochsicherheitsgefängnis hält Maas für rechtens. Der Bundesregierung lägen keine Informationen vor, aus denen hervorginge, "dass es sich um Verstöße gegen internationales Recht sowohl bei der Unterbringung als auch der Behandlung von Julian Assange handelt".
Fraktionsübergreifender Kritik am Umgang Großbritanniens mit dem Wikileaks-Gründer schließt sich der deutsche Außenminister nicht an. Er sei der Auffassung, "dass Assange ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren verdient hat". Das sei auch die Haltung der Bundesregierung und an der werde sich nichts ändern.
Die Gefahr eines Präzedenzfalls, im Falle einer Auslieferung an die USA, sieht Heiko Maas nicht. Natürlich spiele das Thema Presse- und Meinungsfreiheit eine "ganz besondere Rolle". Aber er habe keinen Grund, "unseren britischen Partnern in diesem Fall Versagen oder was auch immer vorzuwerfen".
Besuch für Assange einmal im Monat - für 40 Minuten
Für Julian Assange wird sich – zumindest kurzfristig – nichts an seiner Situation ändern. Er muss nun noch mindestens drei Monate im Gefängnis verbringen. Besuch darf er nur einmal im Monat empfangen – für 40 Minuten. Am kommenden Dienstag wird es wieder so weit sein.
Dann kann er seine Lebensgefährtin und die zwei gemeinsamen Kinder sehen. Umarmen darf er sie nicht – wegen der Corona-Einschränkungen. Das gilt auch für seinen Vater John Shipton, der nach seinem Besuch in Berlin zurück nach London reiste, um zumindest in der Nähe seines Sohnes zu sein.