Juncker will gegen Steuerschlupflöcher kämpfen
17. September 2015Jean-Claude Juncker hat Vorwürfe zurückgewiesen, in Luxemburg ein Steuerparadies geschaffen zu haben. "Ich habe in Luxemburg kein System der Steuerhinterziehung, der Steuerhintertreibung oder der Steuervermeidung zu Lasten anderer europäischer Staaten erfunden", sagte der EU-Kommissionschef in Brüssel vor dem "Luxleaks"-Sonderausschuss des Europaparlaments. In Luxemburg habe die Steuerverwaltung geltendes Recht angewendet; die Regierung habe darauf keinen Einfluss gehabt.
Im vergangenen Jahr hatte ein Recherche-Netzwerk von hunderten Fällen berichtet, in denen multinationale Konzerne wie Amazon in dem Zwergstaat auf Kosten anderer EU-Länder Steuerzahlungen vermeiden.
Persönlich unter Druck
Die Affäre setzt den Behördenchef persönlich unter Druck, weil der Christsoziale dort 18 Jahre lang Premierminister war. Juncker wird deshalb für die Steuerpraktiken des Großherzogtums mitverantwortlich gemacht. Er hat jedoch Verstöße gegen das EU-Recht durch Luxemburg stets bestritten. Vor dem Ausschuss kritisierte er das Steuersystem in Europa als "ungerecht und unlesbar". Ziel müsse es sein, Steuerschlupflöcher für Unternehmen zu schließen. Es gebe Firmen, "die gewinnen, da es die Möglichkeit gibt, sich hinter unterschiedlichen nationalen (Steuer-)Regelungen zu verschanzen", sagte Juncker bei seiner Anhörung.
Die für Wirtschaft und Wettbewerb verantwortlichen EU-Kommissare Pierre Moscovici und Margrethe Vestager sollen ebenfalls im Sonderausschuss sprechen. Ursprünglich war der Auftritt Junckers im Juli geplant - damals war aber die Griechenland-Krise dazwischengekommen.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wird an einer Sitzung des Sonderausschusses teilnehmen. Schäuble plane, am 22. September vor dem Ausschuss zu sprechen, erklärte unlängst ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Nach Angaben des deutschen Ko-Berichterstatters in dem Ausschuss, Michael Theurer (FDP), werden an dem Tag auch Schäubles Kollegen aus Frankreich und Spanien vor dem Gremium zur Affäre erscheinen. Die Kommission nimmt inzwischen auch Steuerregelungen in anderen Mitgliedstaaten unter die Lupe.
Vor dem Hintergrund der Affäre nahm die Kommission im Juni einen neuen Anlauf im Kampf gegen Steuerflucht. Kern ist ein Vorschlag für eine Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer. Gleichzeitig startete die Kommission eine öffentliche Befragung, ob Unternehmen zur Offenlegung bestimmter steuerlicher Informationen verpflichtet werden sollten. Dabei geht es auch um sogenannte Steuervorabbescheide, die in der Luxemburg-Affäre eine zentrale Rolle spielten. In den "tax rulings" wurde den Unternehmen von den Finanzbehörden vorab mitgeteilt, wieviel Steuern sie zahlen müssen.
Das Bundesfinanzministerium erklärte, Deutschland setze sich dafür ein, "dass die Diskussion über unerwünschte Steuergestaltungen international tätiger Unternehmen auch auf europäischer Ebene geführt wird". Denn "wichtige Ursachen" für die Möglichkeiten der Gewinnverschiebung in Europa lägen im EU-Recht oder im Recht der Mitgliedstaaten. Deutschland unterstütze gleichzeitig "uneingeschränkt" die laufende Überarbeitung der europäischen Amtshilferichtlinie mit Blick auf einen automatischen Informationsaustausch über Steuerbescheide.
stu/rb (afp, dpa)