Junge Europäer glauben an europäische Idee
3. Mai 2018Populismus, demokratische Werte oder der Ausstieg aus der Europäischen Union: Eine Studie zeigt, wie junge Menschen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Polen und Spanien zu diesen Themen stehen. Das Ergebnis schwankt von Land zu Land, aber: Die meisten Jugendlichen vertreten keine populistischen Positionen. Ebenso wenig sind sie dafür, dass ihr Land die EU verlässt - sollten sie darüber abstimmen können. Das ist das Ergebnis der YouGov-Studie im Auftrag der TUI-Stiftung.
71 Prozent der befragten jungen Europäer stimmten dagegen, dass ihr Land die Europäische Union verlässt - vor einem Jahr sprachen sich noch 61 Prozent dafür aus. Die Haltung habe auf jeden Fall mit den Effekten des Brexits zu tun, sagt Marcus Spittler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Er forscht zu Populismus, Jugend und Demokratie und war beratend an der Studie beteiligt: "Junge Leute haben gegen den Brexit gestimmt, und jetzt sehen sie, wie schlecht die Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verlaufen."
Macron treibt europäische Idee an
Aber es gehöre noch etwas dazu: "Ich glaube auch, dass es (der französische Präsident, Anm. d. Red.) Emmanuel Macron ist. Er hat eine pro-europäische Vision und spricht sich sehr positiv gegenüber der EU aus - im Gegensatz zu populistischen Akteuren, die regelmäßig die Europäische Union angreifen."
Junge Europäer sehen die EU vor allem als wirtschaftliche Allianz (73 Prozent). Am zweitwichtigsten empfinden sie freie Grenzen, Reisefreiheit und die Möglichkeit, überall in der Europäischen Union arbeiten zu können (69 Prozent). Der ursprüngliche Gedanke der EU, nämlich Frieden zu sichern, landet bei den Befragten auf Platz drei (63 Prozent).
Junge Wähler tendierten in Frankreich zunächst zu Populisten
Allerdings sei die gestiegene Unterstützung des europäischen Projekts in diesem Jahr - vor allem in Frankreich - nicht sehr stabil, sagt Marcus Spittler. Besonders in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl 2017 sei das zu sehen gewesen. Damals tendierten auch junge Wähler dazu ihre Stimme für populistische Kandidaten sowohl im linken als auch im rechten Spektrum abzugeben.
Darüber hinaus zeigt die Studie, dass sich mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) zusätzlich zu ihrer Nationalität auch als Europäer sehen - sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Nur 34 Prozent beschreiben sich ausschließlich mit ihrer Nationalität, 2017 waren es noch 42 Prozent.
Wenig Vertrauen in EU-Institutionen
Trotz dieser Entwicklung: Nur ein Drittel (34 Prozent) vertrauen den EU-Institutionen. Noch weniger sind von Gewerkschaften, Kirchen oder den Medien überzeugt. Nur politische Parteien bekommen noch weniger Vertrauen zugesprochen.
Junge Leute wollen Veränderung in ihrem Land sehen. Nur 17 Prozent glauben, dass das politische System so funktioniert wie es eigentlich sollte. 45 Prozent halten Reformen für nötig und 28 Prozent glauben, dass radikale Veränderung die einzige Lösung ist. "Die Menschen sind generell mehr in die Demokratie und Politik eingebunden. Das heißt aber nicht, dass sie damit zufrieden sind", sagt Sozialwissenschaftler Spittler.
Dennoch glauben 58 Prozent der Befragten an die Demokratie. Laut der Studie würden nur sechs Prozent ein anderes System vorziehen. Die Tendenz, populistische Einstellungen zu vertreten, sind am geringsten in Deutschland (sieben Prozent), am höchsten hingegen in Polen (23 Prozent).
Die Einheit des Volkes?
Ob junge Leute einen Hang zu populistischen Ansichten haben, hängt laut der Studie von ihren Einstellungen in drei Bereichen ab: Elitedenken, Verständnis des Volkes als unbedingten Souverän und Verständnis des Volkes als Einheit. Stimmen sie Aussagen in diesen Bereichen zu, wie zum Beispiel "Die Politiker kümmern sich nicht viel darum, was Leute wie ich denken", "Die Politiker im Parlament müssen dem Willen des Volkes folgen" oder "Die einfachen Leute teilen gleiche Werte und Interessen"? Je öfter die Befragten Fragen wie diesen zustimmten, desto eher attestierte die Studie eine Tendenz zu populistischen Einstellungen.
Allerdings lehnen Populisten - egal ob links oder rechts - die Demokratie als politisches System nicht grundlegend ab, sagt Marcus Spittler. Aber ob Populist oder Nicht-Populist: Sie achten die Demokratie.
Misstrauen gegenüber über Politik
Das heißt aber nicht, dass beide Personengruppen Demokratie gleich verstehen. Diejenigen, die in Richtung populistischer Ansichten tendieren, sind misstrauischer und skeptischer gegenüber politischen Akteuren und Institutionen. 64 Prozent wollen sogar, dass Experten statt gewählter Amtsinhaber politische Entscheidungen treffen. Viele nehmen zudem einen Stillstand bei politischen Prozessen wahr. 57 Prozent führen diesen darauf zurück, dass Kompromisse für die politische Entscheidungsfindung notwendig sind. Einige würden sogar die Rechte der Opposition einschränken und die Verletzung demokratischer Regeln akzeptieren, wenn sich dafür der politische Prozess nicht verlangsamt.
Aber ob junge Leute populistische Tendenzen nun aufweisen oder nicht - die meisten von ihnen sehen US-Präsident Donald Trump als Bedrohung (57 Prozent). Elf Prozent glauben, dass er eine Chance ist. Nur die jungen Polen sehen den US-Präsidenten etwas anders: 29 Prozent sehen Trump als Chance, 25 Prozent als Bedrohung.
Umfrage zum zweiten Mal
Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat für die Studieim Auftrag der TUI Stiftung 6080 junge Europäer aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien und Spanien im Alter von 16 bis 26 Jahren befragt. Die Teilnehmer gaben ihre Angaben online ein. Es ist das zweite Mal, dass die Stiftung solch eine Studie in Auftrag gegeben hat. Die TUI Stiftung gibt es seit 15 Jahren und hat sich zum Ziel gesetzt, vor allem junge Leute für die europäische Idee zu begeistern.