"Juristisch etwas zweifelhaft"
1. Juli 2004Im Interview mit DW-WORLD erläutert der Professor für Öffentliches Recht, Norman Paech, die juristischen Hintergründe zum Rechtsfall Saddam. Der Deutsche lehrt seit 1982 an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Wesentliche Arbeitsgebiete sind unter anderem Völkerrecht und Internationale Beziehungen.
DW-WORLD: Saddam Hussein wird der Prozess vor dem irakischen Kriegsverbrechertribunal gemacht, das der Verwaltungsrat des Landes Ende 2004 gegründet hat. Was für eine Art Gericht wird dies sein?
Norman Paech: Der Charakter dieses Gerichts ist meines Erachtens juristisch etwas zweifelhaft. Und zwar weil es nicht klar ist, dass dessen Einrichtung auf der autonomen und souveränen Entscheidung der irakischen Regierung beruht. Im Wesentlichen schuldet dieses Gericht seine Existenz der amerikanischen Protektoratsverwaltung. Und das ist an sich nicht die gewünschte rechtliche Grundlage für solch ein Gericht, welches selbst als Kriegsverbrechertribunal ein faires und unabhängiges Verfahren garantieren soll.
Obwohl von den Amerikanern abgeschafft, hat die Übergangsregierung gerade wieder die Todesstrafe eingeführt. Der irakische Justizminister erklärte, Saddam Hussein werde bei einem Schuldspruch wohl zum Tode verurteilt. Der Prozess soll zudem live im Fernsehen übertragen werden. Ist ein faires Verfahren unter diesen Vorzeichen möglich?
Das führt zur Ausgangsfrage zurück. Schon die Eröffnung dieses Gerichts hat Zweifel daran genährt, dass es sich um ein faires Verfahren handeln wird. Die Todesstrafe entspricht zumindest europäischen Rechtsstandards nicht mehr. Vieles spricht dafür, dass man hier einen Schauprozess durchführen will.
Nach welchem Recht kann über den Ex-Diktator im Irak überhaupt gerichtet werden?
Ich nehme an, normale Tatbestände wie Mord und ähnliches wird es auch im irakischen Strafrecht geben. Um ihn aber wegen spezifischer Taten wie Giftgaseinsätze und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen, müssten dieses erst für ein nationales Strafgericht entwickelt werden. Nach dem Vorbild der Nürnberger Tribunale sind in letzter Zeit ja derartige Tatbestände etabliert worden - wie im Jugoslawien-Tribunal und in Ruanda. Im Irak bräuchte es dafür noch Zeit, die man sich leider nicht nimmt.
Wieso stellt man Saddam Hussein nicht vor ein internationales UNO-Gremium, ähnlich den UN-Kriegsverbrechertribunalen für Jugoslawien und Ruanda?
Das wäre eine Lösung gewesen. Aber sie kennen die Position der Amerikaner, die auch nach der formalen Übergabe der Souveränität weiterhin das Sagen im Land haben. Sie halten von solchen Tribunalen nichts, wenn die Gefahr besteht, dass in ihnen auch die Kriegsführung der USA zur Debatte stehen könnte. Das wäre in einem wirklich unabhängigen internationalen Tribunal nicht zu vermeiden. Deswegen wollen die Amerikaner ein Gericht, auf das sie Einfluss nehmen können, damit problematische Fragen an die Regierung gar nicht erst zur Sprache kommen.
Genau damit drohen Saddams Verteidiger bereits. Chef-Verteidiger Mohamed Majid Al-Raschdan verurteilte die Einrichtung dieses Gerichts in einem Interview der Deutschen Welle als illegal und will im Gericht den "unrechtmäßigen, völkerrechtswidrigen Krieg" anprangern. Was halten Sie von diesem Vorgehen?
Wie gesagt, gibt es durchaus Gründe, das Gericht abzulehnen. Es datiert noch aus einer Epoche des Protektorats, in der eine unabhängige irakische Regierung noch keinen Einfluss auf die Etablierung desselben hatte.
Welche Gerichtsform hielten Sie für angemessen?
Eine Alternative wäre gewesen, dass man Saddam Hussein vor den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gebracht und erst einmal über die Verbrechen gerichtet hätte, die er nach Gründung dieses Organs begangen hat. Und zweitens für die Verbrechen, die vorher im Irak begangen worden sind, ein Gericht eingerichtet hätte, das wirklich von der vollen Souveränität der irakischen Gesellschaft gedeckt wäre.