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Faszination Nazi-Gold

Sabrina Pabst 4. September 2015

Ein mysteriöser Zug sorgt im polnischen Walbrzych für Spekulationen. Gold, Gemälde und Geld aus der NS-Zeit sind schon lange Stoff für Mythen. Was ist so faszinierend am Nazi-Gold? Antworten von Historiker Ralf Banken.

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Am Ende des Tunnels leuchtet helles Licht. Schienen führen immer weiter in den Stollen hinein. (Foto: REUTERS/Kacper Pempel)
Bild: Reuters/K.Pempel

Deutsche Welle: Der polnische Ort Walbrzych ist in Goldgräber-Stimmung. Touristen reisen an, um nach dem "Nazi-Zug" zu graben. Was ist dran an diesem NS-Goldfieber?

Ralf Banken: Was fasziniert, ist einen Schatz zu finden und mit einem Schlag reich zu werden. Das Spezielle beim Nationalsozialismus ist, dass es viele Legenden gibt: Gold, das im Voralpenland vergraben oder in österreichischen Seen versenkt wurde. Solche Dinge werden immer weitererzählt und regen die Phantasie der Menschen an.

Aber es gab tatsächlich einen Gold-Zug, über den der israelische Historiker Ronald Zweig geschrieben hat. Der Zug ist allerdings von Ungarn nach Österreich gefahren. Dort wurde er von den Amerikanern gefunden. In ihm waren viele Wertgegenstände - Eigentum deportierter und umgebrachter Juden aus Ungarn. Der Fund wurde letztendlich von den Amerikanern dann an die UN-Flüchtlingskommission übergeben.

Geht es bei der Jagd um Reichtum oder Ruhm und Ehre?

Waldstück in Niederschlesien (Foto: REUTERS/Kacper Pempel)
Unter diesem Waldstück, in 70 Metern Tiefe, soll der Gold-Zug vergraben seinBild: Reuters/K.Pempel

Es gibt Menschen, die sind seit den 1950er Jahren damit befasst. Seitdem kursieren diese Legenden immer wieder in der Presse, und es gibt Leute, die der wirklichen Geschichte hinterhersuchen. Sie wollen Finder sein. Ihnen geht es nicht um den Schatz oder darum, das Geld zu finden.

Aber dass größere Mengen jemals gefunden wurden, wüsste ich nicht. Wenn sich herausstellen würde, dass der Fund tatsächlich NS-Gold wäre, würde eine große Diskussion über die Rechtslage entbrennen, wem es tatsächlich gehört.

Wie viel Wahrheit steckt in der Legende?

Es ist damals viel geraubt worden, extrem viel. Aber der allergrößte Teil kam aus den Nationalbanken Frankreichs, den Niederlanden und vor allem Belgien. Mindesten 700 bis 720 Tonnen wurden in ganz Europa geraubt. Den Verbleib des Nationalbank-Goldes kann man relativ gut nachvollziehen, weil die Barren Nummern hatten. Die sind dann an die Reichsbank gegangen und von dort aus für bestimmte Dinge eingesetzt worden, um Schulden und Außenstände im Ausland zu bezahlen. Daneben wurde im deutschen Machtbereich viel privates Gold aus Unternehmen oder Kupferhütten, wo Gold angefallen ist, gestohlen. Hinzu kommt natürlich das Gold, das in den Vernichtungslagern geraubt wurde. Das wollte man nicht wissen. Im Moment geht man davon aus, dass es an die drei Tonnen sind. Und weil das schlecht dokumentiert ist, ist es so geheimnisumwittert.

Gibt es noch viel Nazi-Gold, das bisher nicht entdeckt wurde?

Ralf Banken (Foto: Ralf Banken)
Historiker Ralf BankenBild: privat

Stellen sie sich vor, es ist Anfang 1945. Das Reich versinkt im Chaos. Im Februar und März werden die Schätze aus Berlin rausgebracht. Die Reichsbank verteilt ihre Reserven an verschiedene Standorte, die nicht so gefährdet wie Berlin sind, und bringt sie in Sicherheit. Auch das Auswärtige Amt hatte Gold, das nach Österreich gebracht wurden. Manches gelangte nach München, andere Teile wurden in Berchtesgaden vergraben. Der größte Teil ist im Salzbergwerk Merkers in Thüringen bei Bad Salzungen gelagert worden. Das haben die Amerikaner dann gefunden.

Die Russen haben auch beschlagnahmt, was sie in ihrem Machtbereich ausgruben. Das ist erwiesen. Man geht auch davon aus, dass sie mehrere Tonnen aus Berlin mitgenommen haben. Aber da gibt es keine Unterlagen, genauso wie die gesamten Unterlagen der Reichbank aus dem operativen Geschäft verschwunden sind. Was noch von der Reichsbank im Bundesarchiv liegt, sind Denkschriften, Untersuchungen und Analysen der volkswirtschaftlichen Abteilung. Insofern wissen wir schlecht Bescheid.

Was ist mit den gefunden Schätzen passiert?

Das Nationalbank-Gold ist wieder an die einzelnen Länder gegangen. Das Gold, das man zum Beispiel aus noch nicht eingeschmolzenen und geschiedenen Gegenständen aus Vernichtungslagern hatte, ist an die Tripartite Gold Commission gegangen, die die Alliierten 1946 gegründet haben [um das Raubgold an die Ursprungsländer zurückzugeben, die Red.]. Vieles ist von den Amerikaner auch ausgegraben worden und wurde in diesen großen Topf gegeben, aus dem die Nationalbanken und andere ein Stück weit entschädigt wurden, soweit es eben ging. Nur haben sich auch amerikanische Soldaten bei kleinen Dingen bedient. Durch diese komplizierte Situation - dass die Amerikaner überall was gefunden haben, dass die Russen was mitgenommen haben - setzt die Legendenbildung ein.

Ralf Banken ist Wirtschafts- und Unternehmenshistoriker an der Universität Köln und Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er veröffentlichte zahlreiche Schriften zur Wirtschaftsgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts und der Wirtschaftsgeschichte des Dritten Reichs, besonders zur damaligen Entwicklung des deutschen Edelmetallsektors.