Köhler fordert mehr Unterstützung für Sierra Leone
9. Dezember 2004Sierra Leone ist noch keine afrikanische Erfolgsgeschichte. Andererseits hat das Land seit dem Ende des Bürgerkriegs vor vier Jahren große Anstrengungen unternommen, um den Aufbau politischer Institutionen voranzubringen und die ehemaligen Kombattanten zu entwaffnen. Diese Anstrengungen zu würdigen und seine politischen Gesprächspartner in Sierra Leone darin zu bestärken, sie weiter zu führen, ist eines der wichtigsten Signale, das Bundespräsident Köhler mit seinem Besuch in der Hauptstadt von Sierra Leone setzen will.
Trotz Fortschritte ist der Weg noch lang
Trotz erfolgreicher Fortschritte im Friedensprozess sind die Folgen des mehr als zehnjährigen Bürgerkriegs für das Land immer noch zu bewältigen. Vor Journalisten in Sierra Leone mahnte Köhler am Mittwoch (8.12.2004) die Regierung, "einen Weg zu finden, um Gerechtigkeit zu erreichen." Zugleich forderte der Bundespräsident die Internationale Gemeinschaft auf, Sierra Leone stärker finanziell zu unterstützen, um "dem Land eine Chance für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu geben." Die wichtigste Perpektive für die jungen Menschen sei vor allem, Arbeit zu finden, sagte Köhler.
Armut und Konflikte dominieren
Ohne internationale Unterstützung wäre der Friedensprozess nicht möglich gewesen. Noch bis Mitte 2005 läuft das Mandat der friedensschaffenden Mission der UN. Voraussichtlich wird es - wenn auch in verkleinerter Form verlängert. Auf Seiten seiner Gesprächspartner in Sierra Leone traf der deutsche Bundespräsident auf große Erwartungen - so soll er nicht nur in Deutschland, sondern europaweit für Investitionen in dem westafrikanischen Staat werben. Davon ist Sierra Leone aber immer noch weit entfernt. Der Großteil der Bevölkerung lebt von weniger als einem Dollar täglich. Das Land steht immer noch auf dem letzten Platz des Human Development Indexes, die Arbeitslosigkeit liegt bei 70 bis 80 Prozent. Die Armut ist ein wichtiger Faktor, der das Land erneut destabilisieren könnte. Sierra Leone ist zudem eng verflochten mit den Konflikten in den Nachbarstaaten in Westafrika - insbesondere Liberia. Ehemalige Kämpfer aus dem Bürgerkrieg in Sierra Leone sollen gar als Söldner im Konflikt in der Elfenbeinküste kämpfen.
Bewältigung der Kriegsfolgen
Im Vordergrund des Besuchs des Bundespräsidenten standen deshalb vor allem Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft sowie des Sondergerichtshofs für die Verbrechen, die während des Bürgerkriegs begangen wurden. Insgesamt neun Verfahren werden dort verhandelt. Nach Ansicht Köhlers spielt der Sondergerichtshof im schwierigen Prozess der Bewältigung der Kriegsfolgen eine große Rolle. "Ich sehe den Gerichtshof im Zusammenhang mit der Wahrheits- und Versöhnungskommission. All dies muss zusammenwirken, um den Menschen in Sierra Leone eine Perspektive zu geben für dauerhaften Frieden, wirtschaftlichen und sozialen Aufbau."
Neue Perspektiven
Unter Leitung der UN wurde nach dem Bürgerkrieg auch die Entwaffnung vorangetrieben. Mehr als 70.000 ehemalige Kämpfer durchliefen das Programm. Doch nur wenige von ihnen finden nach dieser Aufbildung tatsächlich Arbeit. Auch aus diesem Grund besuchte Köhler ein Institut für Mikrofinanzierung und unterstützte nachdrücklich die Idee der Ausweitung solcher finanzieller Unterstützungen für kleine Unternehmer auch im ländlichen Raum.
Deutschland ist wichtiger Geber
Die Gesprächspartner in Sierra Leone begegneten dem Bundespräsidenten mit großer Herzlichkeit. Deutschland war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Geber für das Land - so stammten rund ein Viertel der EU-Entwicklungsgelder für Sierra Leone aus Deutschland.
Der Bundespräsident machte aber auch unmissverständlich deutlich, dass es darauf ankäme, den Reformprozess eigenständig voranzubringen. Gerade beim Aufbau demokratischer Institutionen, bei der Eindämmung der Korruption habe das Land noch viel zu tun. Besonderen Beifall erhielt Köhler im Parlament von Sierra Leone dafür, als er betonte, dass Deutschland die Anstrengungen in Sierra Leone sehe und weiterhin unterstützen werde. Der Bundespräsident machte erneut klar: "Es gibt keine erst, zweite oder dritte Welt. Wir leben in einer Welt."