Köln scheitert an Belgrad und sich selbst
7. Dezember 2017Das Kölner Dilemma dieser Saison lässt sich anhand von einer Szene erzählen: 70. Minute im Stadion Rajko Mitić von Belgrad. Der 1. FC Köln endlich noch mal im Vorwärtsgang, die Passstafette im Mittelfeld sieht auch recht passabel aus und tatsächlich führen sie den Ball bis an den Strafraum von Roter Stern Belgrad. Dort erhält ihn Sehrou Guirassy, der einen schlampigen Pass spielt und der Ball ist weg. Alle Mühen wieder umsonst.
Das Problem: Solche Szenen fabriziert der FC momentan im Dutzend pro Spiel. Der Spielaufbau ist ausrechenbar, gerät oft ins Stocken. Der Abschluss ist - wenn es denn zu einem kommt - viel zu harmlos. Tore sind Mangelware. So war es auch in Belgrad: Beim 0:1 (0:1) im Spiel 1 nach dem Stöger-Rauswurf bei Roter Stern Belgrad offenbarte sich wieder die eklatante Offensivschwäche der Kölner. Den Geißböcken fehlt schlicht ein Stürmer mit der Kernkompetenz "Tore schießen".
"Wir denken zu viel nach vor dem Tor"
"Wir waren viel zu harmlos im Abschluss", sagte ein sichtlich resignierter FC-Keeper Timo Horn. Er war beim Gegentreffer, als Slavoljub Srnic nach schöner Vorarbeit von Milan Rodic aus sechs Metern traf, (22.) machtlos und musste danach lange dem Unheil zusehen. "Belgrad hat das sehr gut ausgespielt. In der letzten halben Stunde kam dann zu wenig von uns."
In der Tat schien der stark ersatzgeschwächten Mannschaft, der eine komplette Elf verletzt fehlte, gegen Ende die Luft auszugehen. Konditionell hatte der FC in der Schlussphase nichts hinzuzusetzen. Sicher auch ein Grund für die Krise und der Fitness-Coach Benjamin Kugel wurde noch vor Peter Stöger kaltgestellt. Das größte Problem jedoch war auch in Belgrad die Abschluss-Schwäche. Auch fünf Minuten Nachspielzeit reichten nicht für so etwas wie Torgefahr beim FC. "Wir denken zu viel nach vor dem Tor. Heute wäre mehr drin gewesen", sagte Kapitän Matthias Lehmann selbstkritisch. Während die serbischen Spieler eine Ehrenrunde durch das in die Jahre gekommene Stadion drehten und Keeper Milan Borjan ausgelassen mit wehender Fahne feierte, schlichen die Kölner gebeugt von dannen.
Große Hoffnungen, leiser Abschied
So endet der Europa-League-Ausflug des Tabellenletzten der Bundesliga bereits vorzeitig. Diese sechs Gruppenspiele bedeuteten dem FC viel, sehr viel. Frenetisch feierten die Fans im Mai den Einzug in den Europapokal, zum ersten Mal seit 25 Jahren. Der Verein vibrierte vor Vorfreude auf die Rückkehr des Geißbocks nach Europa. Und zum ersten Auswärtsspiel nach London pilgerten rund 20.000 Anhänger - womit der Gastgeber offenbar schlicht überfordert war. Groß waren die Hoffnungen in Köln, groß die Euphorie - wie so oft in diesem Verein, in dieser Stadt. Optimismus, der gelegentlich zur freudigen Selbstüberschätzung neigt, kennzeichnet die Seele des 1. FC Köln.
Und tatsächlich keimte nach Siegen gegen BATE Baryssau und Arsenal London wieder Hoffnung auf. Das Weiterkommen schien wieder möglich: "In den letzten beiden Spielen haben wir uns teuer verkauft", so Lehmann. Die Wende zum Guten brachten diese Achtungserfolge allerdings nicht.
Vielleicht ist es gut so. Die Konzentration gilt nun allein der Bundesliga, das Pokal-Achtelfinale gegen den FC Schalke 04 dürfte nur eine Randnotiz sein. Der 1. FC Köln will endlich den ersten Sieg in der Liga und damit so etwas wie einen Startschuss zu einer geplanten Aufholjagd. "Wir müssen an uns arbeiten: Torabschlüsse, Laufwege im Offensivbereich und wir müssen den Spielern Erfolgserlebnisse geben", gibt der neue Trainer Stefan Ruthenbeck die Richtung vor. Ob ihm und dem neuen Geschäftsführer Armin Veh seine angezählten Spieler folgen werden?