Kabila tritt nicht mehr an
9. August 2018Es war die Stunde der Wahrheit. Bis kurz vor Ablauf der Frist zur Einreichung der Präsidentschaftskandidatur in der Demokratischen Republik Kongo war nicht klar, ob Präsident Joseph Kabila selbst noch einmal antritt oder einen Nachfolger ins Rennen schickt. Seine zweite Amtszeit ist seit 2016 abgelaufen - eine dritte steht ihm laut Verfassung nicht zu. Doch Neuwahlen wurden gezielt verschleppt. Erst seit wenigen Monaten steht ein Wahltermin fest: der 23. Dezember 2018. Das ganze Land hielt den Atem an, als Regierungssprecher Lambert Mende am Mittwochnachmittag (08.08.18) vor die Presse trat. Als Nominierten verkündete er Emmanuel Ramazani Shadary, Ex-Innenminister und Generalsekretär der Regierungspartei PPRD - Kabilas zweiten Mann.
Kabila selbst tritt also nicht mehr an. Doch Shadary gilt nicht als starker Mann: Er war Kabila bisher immer treu ergeben, verfügt über kein eigenes Machtnetzwerkwerk und keinen Einfluss im Militär. Regierungssprecher Mende unterstreicht, Kabila werde weiterhin Anführer der neu aufgesetzten Plattform FCC (Gemeinsame Front für den Kongo) bleiben - auch nach den Wahlen. Vergleicht man dies mit der Situation in Russland 2008, als Präsident Wladimir Putins Amtszeit endete und er seinem unscheinbaren Kumpel Dmitri Medwedew den Platz auf dem Präsidentenstuhl hinterließ, um selbst Premierminister zu werden, der dann weiterhin die Fäden zog - dann ist Shadary für den Kongo der perfekte Medwedew.
Schachmatt für die Gegenkandidaten
Die Wahlkommission CENI hat inzwischen mit den Vorbereitungen für die Abstimmung im Dezember begonnen. Am Donnerstag gab sie bekannt, dass 23 Kandidaturen eingereicht worden seien - davon 20 vollständige. Laut CENI-Sprecher Pierre Mulumba werde die vorläufige Liste der zugelassenen Kandidaten am 24. August bekannt gegeben. Erst nach einer Überprüfung durch das Verfassungsgericht werde am 11. September die endgültige Liste veröffentlicht.
Es bleibt also weiter spannend. Denn der einflussreichste Gegenkandidat zu Kabilas Machtclique, Jean-Pierre Bemba, konnte bei Einreichung seiner Kandidatur vergangene Woche keine Wählerkarte vorlegen. Als diese im Kongo ausgestellt wurden, saß der Ex-Vizepräsident und ehemaliger Rebellenführer noch im Hochsicherheitsknast des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Er war erst im Juni freigesprochen worden und flog direkt in den Kongo, um seine Wahlunterlagen einzureichen. Ob er zugelassen wird, ist offen.
Ein anderer Rivale Kabilas, Moise Katumbi, wurde gar nicht erst ins Land gelassen. Als die Nominierungsfrist endet, steht der Chefkandidat der Oppositionsplattform "Gemeinsam für Veränderung" und Ex-Gouverneur der mineralienreichen Provinz Katanga an der Grenze zwischen Sambia und Kongo und kommt nicht rein. Der Grund: Er hat ein Gerichtsverfahren anhängig, die Polizei droht mit Verhaftung. Katumbis Anhänger protestieren auf der anderen Seite der geschlossenen Grenze - die Polizei antwortet mit Tränengas und Schüssen.
Die zentrale Frage: Krieg oder Frieden
Die Stimmung im Kongo ist angespannt. Am Dienstag versammelten sich vor dem Gebäude der Wahlkommission in Kinshasas Innenstadt tausende Anhänger der Oppositionsparte UDPS. Sie waren ihrem Vorsitzenden Felix Tshisekedi quer durch die Stadt bis zur CENI gefolgt. Unterwegs wurden sie von Polizisten mit Tränengas beschossen, erzählen sie. "Wenn die Wahlkommission nicht möchte, dass das Land wieder in den Krieg abrutscht, dann muss sie glaubwürdige und transparente Wahlen organisieren", so UDPS-Bezirksvorsitzender Fiston Mbuyo. "Wenn sie die Wahlen manipuliert, damit der Regierungskandidat gewinnt, dann ist sie verantwortlich für das Blut, das dann vergossen wird."
Experten befürchten, dass es statt Wahlen zu einem erneuten Krieg kommen könnte. Die Anzeichen seien alarmierend, sagt Politologe Pamphile Ngoma, denn Kabila habe erst vor wenigen Wochen die Armee reformiert: "Er hat neue Posten an neue Generäle vergeben, die jetzt an der Macht bleiben und nicht das Ende eines Regimes besiegeln wollen." Ngoma glaubt, dass diese Generäle die vielen Milizen, die sich im kriegsgeplagten Osten des Landes tummeln, anstacheln werden, eine Rebellion anzuzetteln. Kabila könne dann als oberster Militärführer im Amt bleiben, um den Krieg zu führen.
Für Kongos Jugendbewegung LUCHA ist die Wahl schon jetzt ein Debakel, an dem sie nicht teilhaben will, so LUCHA-Vertreter Enoch Nyamwisi: "Ich denke nicht, dass wir zur Wahl gehen werden, mit all den Unregelmäßigkeiten", sagt er. Es wird befürchtet, die neuen Wahlmaschinen könnten genutzt werden, um das Ergebnis zu manipulieren, und auf den Wählerlisten sollen fiktive Personen stehen. Nyamwisi glaubt nicht, dass diese Probleme vor der Wahl gelöst werden - "ob nun mit Kabila oder ohne".