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Kaderschmiede für Wirtschaftsethiker

22. Mai 2010

Die Finanzkrise hat auch gute Seiten: Immer mehr Universitäten entdecken die Wirtschaftsethik. Vorreiter ist die Privatuniversität Witten-Herdecke. Ethik ist hier ein unverzichtbarer Teil des Wirtschaftsstudiums.

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Börsensaal in Frankfurt (Foto: dpa)
Hier fehlt die Moral - die Uni Witten will das ändernBild: picture alliance/dpa

Es ist Sonntagvormittag, 10 Uhr. Während viele ihrer Kommilitonen gemütlich frühstücken, sitzen die Wirtschaftsstudenten der Universität Witten-Herdecke bereits seit einer Stunde in den Seminarräumen der privaten Hochschule. Sie diskutieren lebhaft über Fragen, die sie vor allem seit der Finanzkrise stark beschäftigt: Wie lässt sich Ethik in Unternehmen besser umsetzen? Wie gehen Firmen mit ihren Mitarbeitern um und wie verhalten sie sich im knallharten Wettbewerb?

Zu guter Unternehmensführung gehören allerdings auch andere Fragen, darin sind sich die Studenten schnell einig. Entscheidend sei ebenfalls, ob das Unternehmen seine Versprechen einhalte und ob transparent wird, was der Vorstand so treibt. Als Diskussionsgrundlage dient den angehenden Betriebswirten und Managern der deutsche "Corporate Governance Kodex". Er bildet ein Regelwerk für ethisches Verhalten von Mitarbeitern und Chefetagen von Unternehmen. Diese Regeln und deren Umsetzung müssen jedoch ständig hinterfragt und verbessert werden, meinen die Studenten.

"Böse" Wirtschaft?

Wirtschaftsstudenten der privaten Universität Witten-Herdecke beim Blockseminar 'Corporate Governance und Business Ethics' (Foto: DW)
Hier lernen die Studenten mehr als ControllingBild: DW

Janina Schröder beteiligt sich eifrig an der Diskussionsrunde. Sie ist im zweiten Semester ihres Masterstudiengangs in General Management an der Uni Witten-Herdecke und hat die Wirtschaftsethik als Schwerpunkt gewählt. Janina gibt zu, dass sie zu Beginn des Studiums Schwierigkeiten mit ihrem Fach gehabt hat. "Besonders seit der Finanzkrise steht die Wirtschaft in dem schlechten Ruf, nur auf Profitgier ausgelegt zu sein", sagt sie. "Irgendwann habe ich aber festgestellt: Man kann und muss sie mit Ethik verbinden, das ist die Grundlage allen guten Wirtschaftens."

In Witten-Herdecke setzen sich die Wirtschaftsstudenten aber nicht nur mit dem Thema Ethik auseinander. Für jeden Studenten sind auch Veranstaltungen des "Studium Fundamentale" Pflicht: Kunst, Theater, Rhetorik, Philosophie – Ziel ist, sich mit Themen zu beschäftigen, die im eigenen Fachgebiet nicht behandelt werden, aber zu einer breiten Allgemeinbildung beitragen. Vom Wissen zum sozialen Gewissen zu gelangen, ist ein Wahlspruch der Uni. Daher fördert sie auch besonders das soziale Engagement ihrer Studenten.

Mehr als nur Gedöns

Mit ihrem starken Focus auf ethischen Fragen bildet die Privatuniversität unter den deutschen Hochschulen noch eine Ausnahme. Zwar gebe es mittlerweile die ersten Lehrstühle für Wirtschafts- und Unternehmensethik in Deutschland, sagt Alexander Brink, ständiger Gastprofessor für Corporate Governance und Philosophie an der Uni. "Aber das Engagement, die Tiefe und die Effektivität, mit der das hier in Witten vertreten wird, sind ziemlich einzigartig."

Wirtschaftsstudenten der privaten Universität Witten-Herdecke beim Blockseminar 'Corporate Governance und Business Ethics' (Foto: DW)
Der Wirtschaftsethiker schätzt Philosophen-KluftBild: DW

Zahlreiche Unternehmen hätten das Thema Ethik bisher stark unterschätzt, glaubt Brink. Viele hielten Ethik für ein nettes, aber letztlich unbedeutendes Detail, dessen Fehlen durch geschickte Außenauftritte vertuscht werden könne. Das aber sei ein Trugschluss. "Ethik wird im globalen Wettbewerb zunehmend zu einem harten Erfolgsmerkmal." Dazu trägt nach Ansicht des Professors vor allem eine nachwachsende Generation der Wirtschaftsprofis bei, wie sie an der Universität Witten-Herdecke ausgebildet wird. "Diese Absolventen legen darauf Wert, dass Unternehmen nicht nur leere Versprechen abgeben, sondern sich wirklich an das halten, was sie versprechen."

Ethik für alle

Eine Haltung, die sich Bernhard Kempen, Vorsitzender des Deutschen Hochschulverbands, auch für andere Wissensbereiche wünscht. Die Ausbildung an der Universität müsse mehr leisten als nur Wissen zu vermitteln, fordert er. "Die Studenten sollten die Hochschule als Persönlichkeiten verlassen, die spätere Herausforderungen im Berufsleben meistern können." Und dazu gehöre eben auch, sich ethischen Fragen zu stellen.

Das gilt nach Ansicht des Kölner Juraprofessors aber nicht nur für Wirtschafts- oder Medizinstudenten. Ethik sollte in alle Fächer integriert werden, verlangt Kempen. "Ethik gibt den Studenten ein kritisches Bewusstsein, bietet ihnen eine Orientierung und hilft ihnen, ihr Fach gesellschaftlich besser einzuordnen:"

Autorin: Sola Hülsewig

Redaktion: Sabine Damaschke