Kalkulierter Schrecken
26. Dezember 2004Es war der bislang schwerste Anschlag auf einen US-Stützpunkt im Irak. Während der Mittagszeit explodierten am Dienstag (21.12.2004) in einem Speisezelt auf dem US-Militärstützpunkt in Mosul mehrere Sprengsätze. Mindestens 24 Menschen starben und rund 60 weitere wurden verletzt. Zur gleichen Zeit bekennt sich im Internet die radikale islamische Gruppe Ansar al-Sunna zu dem Anschlag und spricht von einer Märtyrer-Operation.
Auf dem Weg zum Gottesstaat
Die Gruppe sunnitischer Moslems gehört zum Kern der Widerstandsbewegung gegen die US-Truppen und Vertreter der neuen irakischen Staatsmacht. Ansar al-Sunna wird für eine Serie von Anschlägen, Entführungen und Morden verantwortlich gemacht, darunter die Tötung von zwölf nepalesischen Geiseln im August. Entstanden ist die Organisation Anfang 2001 als Splittergruppe der radikal-islamistischen Vereinigung Ansar al-Islam, die im kurdischen Norden des Irak einen eigenen Gottesstaat errichten möchte.
Netzwerk des Terrors
Kai Hirschmann, stellvertretender Direktor des Insitututs für Terrorismusforschung in Essen, warnt jedoch davor die Gruppe als Einzelkämpfer einzustufen. "Ansar el Sunna hat enge Kontakte zu dem El-Kaida-Verbündeten Abu Mussab al-Sarkawi, der für mehrere Enthauptungen und Anschläge im Irak verantwortlich gemacht wird". Man müsse sich die terroristischen Strukturen im Irak wie einen Fußballverein vorstellen, sagt Hirschmann. Immer wieder würden neue Spieler eingewechselt, aber der Verein bleibe der Gleiche. Im Fall des Irak sei El Kaida. "Vor allem die vielen Waffen, ebenso wie die technische Ausrüstung der Ansar el Sunna, lassen auf einen ausländischen Geldgeber schließen", so der Terrorismusexperte.
Wie Pilze aus dem Boden
Für die enge Verbindung zu der internationalen Terrorismusorganisation El Kaida spricht auch, dass viele Anhänger der Ansar el Sunna gar nicht aus dem Irak kommen. Das hat die Auswertung der Bekennervideos, die Ansar el Sunna Selbstmordattentäter vor ihren Anschlägen aufgenommen haben, ergeben. Wie viele andere islamistische Gruppierungen im Irak verfolgt die Ansar el Sunna eine Pan-Islamische Ideologie, die alle Muslime dazu aufruft gegen die amerikanische Besatzungsmacht im Irak zu kämpfen. "Der Zulauf zu den radikal islamischen Gruppen aus der irakischen Bevölkerung ist enorm", erklärt Kai Hirschmann. Der Terrorismus im Irak sei eine Wachstumsbranche.
Stahlregen gegen Aufständische
Für die US-Armee ist die neue Welle der Gewalt im Irak eine schwere Niederlage. In der nordirakischen Stadt Mossul war es lange Zeit nach dem Einmarsch der Amerikaner relativ ruhig. Aber seit dem US-Angriff auf Falludscha im November hat sich die drittgrößte irakische Stadt zu einem Schauplatz fast täglicher Auseinandersetzungen entwickelt. "Im Irak gibt es mittlerweile ein regelrechtes Entführungsbusiness", erklärt Hirschmann. Kleine lokale Gruppen entführen Politiker, Journalisten oder Soldaten und "verkaufen" sie weiter an radikal sunnitische Gruppierungen wie Ansar el Sunna. Leider reagierten die Amerikaner auf dieses Netzwerk immer wieder nur mit Gewalt, erklärt Hirschmann.
Fragiler Boden für die Demokratie
Die systematische Zerstörung der Sunnitenhochburg Falludscha im November sei dafür das beste Beispiel, so Hirschmann. Die Drahtzieher des Widerstandes seien den US-Soldaten entwischt, dafür habe der Angriff auf die Stadt viele Sunniten in die Arme der Terroristen getrieben. Auf die Wahlen, die für den 30. Januar 2005 geplant sind, wirft das einen dunklen Schatten. Boykottieren die sunnitischen Parteien im Irak die Parlamentswahlen, ist die Einheit des ganzen gefährdet. Genau darauf haben es die islamistischen Terroristen wie die Ansar el Sunna abgesehen. Ihre Chancen auf Erfolg stehen nicht schlecht. Im Gegensatz zu den offiziellen Parteien der Sunniten, Schiiten und Kurden im Irak, sagt Hirschmann, haben radikal islamistische Gruppierungen einen entscheidenden Vorteil: "Im Kampf gegen die USA und die neue irakische Staatsmacht verbindet sie zumindest ein kleinster gemeinsamer Nenner."