Schrecken des Hochwassers
18. Mai 2014Der Schrecken sitzt Haša Huseinović noch in den Gliedern. "Wir haben gemerkt, wie sich der Boden bewegt", sagt die 53-Jährige. Dann sei ein Nachbarhaus abgesunken. "Der Beton begann sich zu heben, der Asphalt brach und aus dem Boden kam Wasser." Die Frau musste mit ansehen, wie acht Häuser in ihrem Dorf Svrake, in der Nähe der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, von der Flut oder von rutschenden Erdmassen davon getragen wurden.
Sie hatte Angst. "Wir wollten nicht raus aus unserem Haus." Doch ihr Sohn habe die zögernde Familie angeschrien, dass sie alle sterben würden, wenn sie jetzt nicht fliehen. "Daraufhin sind wir schnell aus dem Haus gerannt. Ich bin nur etwa zehn Meter weit gegangen, als ich es Krachen hörte." In diesem Moment seien die Häuser um sie herum eingestürzt. Sie fiel zu Boden. "Ich habe es irgendwie geschafft, da raus zu kommen.“
Hotel als Notunterkunft
Haša Huseinović hatte Glück im Unglück - andere Bosnier nicht. Offizielle Angaben über die endgültige Zahl der Toten gibt es noch nicht. Mehr als 40 sollen es sein. Für Entsetzen sorgte die Nachricht aus Doboj, einer Stadt im Osten Bosnien-Herzegowinas, dessen Bürgermeister erklärte, man habe bereits mehr als 20 Tote geborgen. Auch aus anderen Städten und Ortschaften gab es Nachrichten über Tote und Verletzte. Viele Anwohner aus den betroffenen Gebieten wollen ihre Häuser nicht verlassen und harren in den oberen Stockwerken oder auf Dächern aus. Oder sie retten sich eben im letzten Moment, so wie Haša Huseinović.
Menschen wie sie befinden sich jetzt in Notunterkünften, zu denen auch Hotels umgewandelt wurden. Hilfe rollt an – Nahrung und Kleider werden verteilt. In sozialen Netzwerken tauschen sich die Menschen darüber aus, was wo am dringendsten benötigt wird. Die Behörden riefen Katastrophenalarm aus. Hilfe kam vom Nachbarland Kroatien, bei der EU ging die Bitte um Unterstützung ein.
Auf eine Katastrophe dieses Ausmaßes war das kleine Balkan-Land nicht vorbereitet. Zwar hatte es immer wieder Überschwemmungen gegeben. Aber mit einer Jahrhundertflut dieses Ausmaßes hat niemand gerechnet.
Besonders schlimm hat es den Osten des Landes getroffen, die Region um die Stadt Zenica sowie das Grenzgebiet zu Serbien. Das Nachbarland Bosnien-Herzegowinas hat es ebenfalls getroffen. Es gibt Berichte über Tote und ganze Regionen, die unter Wasser sind. Serbische Behörden sprechen von einer Katastrophe nie gekannten Ausmaßes.
Hilfe von Nachbarn
Angesichts der enormen Schäden helfen sich die Menschen gegenseitig. "Dieses Haus, das bin ich, hier bin ich bereits seit 40 Jahren", sagt Mustafa Pašalić. Dem Straßenbuchhändler und seiner Familie haben Nachbarn einen Schlafplatz gegeben. Starke Hände halfen, sein Haus in dem ostbosnischen Städtchen Gračanica vor dem Einsturz zu bewahren. Erdmassen hatten es eingeschlossen. Er habe die besten Nachbarn der Welt, sagt der 70-jährige Bosnier. "So etwas habe ich noch nie erlebt." Am meisten trauere er den Büchern nach, gesteht er und umarmt seine weinende Ehefrau.
Entwarnung gibt es noch immer nicht, denn es kann zu weiteren Erdrutschen kommen. Die Menschen in Gračanica und Umgebung haben zudem Angst, dass der dortige Damm am See Modrac bricht. Die Behörden in allen betroffenen Regionen rufen die Bürger zur Vorsicht auf. Noch droht an vielen Orten die Gefahr eines Erdrutsches.
Doch auch den Nordwesten des Landes suchten die Wassermassen heim. Die größte Stadt dieser Region, Banja Luka, wurde teilweise überschwemmt. Der Fluss Vrbas, der durch die Stadt fließt, trat über die Ufer. In Banja Luka und den umliegenden Städten und Ortschaften zieht sich das Wasser nun langsam zurück.
Es gibt Hoffnung, die Wetterlage bessert sich allmählich. Meteorologen erwarten ab Sonntag (18.5.2014) wieder wärmere Temperaturen. Dann wird sich das ganze Ausmaß der Schäden zeigen.