Parteichef gesucht
16. September 2008Will man den Meinungsumfragen Glauben schenken, dann ist das Rennen längst gelaufen. Wenn am Mittwoch 74.000 Mitglieder der israelischen Kadima-Partei aufgerufen sind, einen neuen Parteichef zu wählen, dann hat Außenministerin Zipi Liwni die besten Chancen, Ehud Olmert zu beerben und dann wahrscheinlich eine neue Regierung zu bilden.
Mindestens 40 Prozent der Stimmen muss sie erreichen, damit es nicht zu einer Stichwahl kommt. In Umfragen werden ihr aber bereits bis zu 47 Prozent der Stimmen vorausgesagt. Zwei andere Kandidaten, Innenminister Meir Schitrit und der Minister für öffentliche Sicherheit, Avi Dichter, liegen weit abgeschlagen hinter Liwni. Nur einer lässt sich von der Vorhersage der Demoskopen nicht beeindrucken, er werde nur knapp über 30 Prozent erhalten - Transportminister Schaul Mofas. Er verkündet selbstsicher: "Ich glaube, dass ich im ersten Wahlgang siegen werde - mit 43,7 Prozent. Und - wie gesagt: Ich werde die nächste Regierung bilden und die Basis der gegenwärtigen Koalition ausweiten."
Mofas zählt zu den Hardlinern der Kadima-Partei
Kein Wort, woher er diese Zuversicht nimmt. Selbst sein engster Berater muss einräumen, dass der 60-jährige Mofas die Politik vielleicht zu sehr wie ein Militär angeht. Immerhin war der im Iran geborene Mofas in der Vergangenheit Generalstabschef und Verteidigungsminister und gehört heute zu den Hardlinern seiner Partei. Zum Beispiel, wenn es um das iranische Atomprogramm geht: Als einziger Minister der Regierung Olmert hat er in den letzten Monaten wiederholt offen mit einem Angriff auf den Iran gedroht. Und Mofas ist überzeugt, dass solch eine harte Linie in Israel ankommt, auch in der Kadima-Partei. "Die Mitglieder von Kadima wollen einen starken und nicht einen schwachen Staat. Sie wollen einen starken und nicht einen schwachen Führer. Die Mitglieder von Kadima - wie auch die anderen Bürger - wissen heute, dass wir es uns nicht leisten können, Leute zu wählen, die keine Erfahrung haben, kein Verständnis und keine Fähigkeit, Entscheidungen zu fällen, um mit den Bedrohungen Israels fertig zu werden", so Mofas.
Liwni forderte Olmerts Rücktritt
Ein deutlicher Seitenhieb auf Zipi Liwni. Die Außenministerin verstehe nichts von den existentiellen Fragen Israels. Die 50-jährige Mutter von zwei Kindern, in ihrer Jugend Agentin des israelischen Geheimdienstes, weist solche Anspielungen zurück. Sie habe als Außenministerin während der letzten drei Jahre an den wichtigsten Entscheidungen teilgenommen. Wobei sie auch den Libanonkrieg einschließt, aber betont, dass sie schon früh begonnen habe, sich für ein rasches Ende der Kämpfe und einen Rückzug einzusetzen.
Liwni war es auch, die nach der Veröffentlichung des für Olmert vernichtenden Untersuchungsberichtes über den Libanonkrieg empfahl, der Ministerpräsident solle zurücktreten. Sie tat es wieder, als Olmert unter Korruptionsverdacht von der Polizei verhört wurde. Für Liwni war dieses Verhalten eine Frage der politischen Hygiene: "Man muss doch die Wahrheit sagen - dass wir enttäuscht haben. Die Leute haben uns vertraut, sie haben uns gewählt und wir haben nicht gehalten, was wir versprochen haben. Heute weiß ich das und ich sage das heute, denn man kann nichts korrigieren, wenn man nicht eingesteht, was war."
Mofas gegen Abzug aus Gaza
Liwni verspricht einen Neubeginn, ohne freilich Details ihrer Vision für die Zukunft zu verraten. Besonders, wie der Frieden mit den Palästinensern aussehen soll und welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit ist. Was Syrien betrifft, so ist sie klarer: Natürlich werde Israel die Golan-Höhen zurückgeben müssen, aber Damaskus müsse dafür mit den Radikalen brechen - von Hamas über Hisbollah bis hin zum Iran.
Auch Mofas verrät keine taktischen Pläne. Er war in der Vergangenheit aber gegen den Abzug aus Gaza und gegen die Aufgabe der Golan-Höhen. Kritiker werfen ihm deswegen vor, dass er innerlich weiterhin der rechtsgerichteten Likud-Partei nahe stehe, von der Kadima sich unter Scharon abgespalten hatte. Während Liwni von mehr Transparenz und Sauberkeit in der Politik spricht, belegt Mofas das Argument der Sicherheit, ohne Hinweis aber, wie er diese erlangen will. Er verlässt sich darauf, dass das Volk ihm als ehemaligen General mehr zutraut als Liwni. Die aber antwortet schnippisch: Sie habe nichts gegen Generäle, ein Ministerpräsident brauche die als Berater, um dann eine politische Lösung zu finden.
Schitrit und Dichter so gut wie keine Chance
Dem gegenüber sind die beiden anderen Kandidaten harmlos. Innenminister Schitrit hat schon oft versucht, ein wichtiges Amt zu erlangen. Er ist im Grunde aber immer noch der Lokalpolitiker, der er jahrelang war. Und Sicherheitsminister Avi Dichter könnte zwar mit seiner Erfahrung als ehemaliger Geheimdienstchef werben, das allein wird ihn aber nicht zum Wahlsieger machen. So wird die Entscheidung zwischen Mofas und Liwni fallen. Zuerst, wer künftig die Partei führt und dann, ob es ihm oder ihr gelingt, eine stabile Koalition zu bilden. Gelingt das nicht, dann müssen Neuwahlen ausgeschrieben und die Karten völlig neu aufgemischt werden.