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US-Kritik am deutschen Handelsbilanzüberschuss

Dirk Kaufmann31. Oktober 2013

Die Exportnation Deutschland wird wegen ihres Ausfuhrüberschusses kritisiert: Die EU fürchtet um die Balance des europäischen Marktes und jetzt kommt ungewöhnlich scharf formulierte Kritik aus den USA.

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Möwe, Kran und Schiff (Foto: Fotolia/Hans Sehringer)
Bild: Fotolia/Hans Sehringer

Es sind nur wenige Zeilen in einem 35-seitigen, hölzern formulierten Papier, aber die haben es in sich. Darin kritisiert das US-Finanzministerium die deutsche Wirtschaftspolitik scharf: Deutschland bringe mit seinen Exporterfolgen das Gleichgewicht der europäischen Wirtschaft durcheinander und seine gleichzeitig "blutarme" Binnennachfrage verhindere eine Erholung der Konjunktur. So steht es im Bericht des Ministeriums zur Lage der internationalen Wirtschaft, "Report to Congress on International Economic and Exchange Rate Policies", der am Mittwoch (30.10.2013) in Washington erschienen ist.

Diese Vorwürfe sind nicht neu. Bereits in seinem vorherigen Bericht hatte das Finanzministerium die deutschen Exporterfolge kritisiert - aber zurückhaltend und in gedämpftem Ton. Und sie kommen nicht nur aus Washington: Auch in Brüssel wird mit Sorge auf die deutsche Handelsbilanz geblickt. Vor zwei Jahren wurden in Europa Vorgaben formuliert, um "makroökonomische Ungleichgewichte" vermeiden und korrigieren zu können.

Deutschland hat in drei Jahren Leistungsbilanzüberschüsse von jeweils mehr als sechs Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erzielt. Das könnte einen sogenannten Blauen Brief aus Brüssel zur Folge haben, mit der Aufforderung, die Bilanz auszugleichen. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert erwartet die Regierung jedoch keine solche Mahnung. Außerdem seien Leistungsbilanzen allein nicht aussagekräftig genug, um eine Volkswirtschaft qualifiziert beurteilen zu können.

Das US-Finanzministerium in Washington (Foto: BLEIER/AFP/Getty Images)
Das US-Finanzministerium in Washington - von hier kommt die harsche Kritik an der deutschen WirtschaftspolitikBild: Getty Images/AFP/ Karen Bleier

Des einen Gewinn, des anderen Verlust

Wer mehr Geld für seine Exporte einnimmt als er für seine Einfuhren ausgeben muss, erzielt einen Überschuss in der Handelsbilanz. Das ist eigentlich nicht schlimm, doch die Außenhandelsexpertin Galina Kolev vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln weist darauf hin, dass man für einen Handel immer einen Verkäufer und einen Käufer braucht. Das führe dazu, dass, "wenn es einen Handelsbilanzüberschuss in Deutschland gibt, ein Handelsdefizit in anderen Ländern entsteht".

In diesem Licht betrachtet könnte der deutsche Exportüberschuss vielleicht wirklich negative Folgen für die Weltwirtschaft haben. Die deutsche Handelsbilanz der letzten beiden Jahre war jeweils die glänzendste weltweit - kein anderes Land konnte ein so großes Plus erzielen. Das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo sagt auch für dieses Jahr ein dickes Plus voraus, es könnte fast 200 Milliarden US-Dollar erreichen.

Ein Handelsdefizit kann auch gut für die Wirtschaft sein

Wenn deshalb ein Land eine negative Handelsbilanz aufweist, kann das aber trotzdem gut für seine Wirtschaft sein, meint Galina Kolev: "Die Frage ist nämlich, was mit diesem Import passiert. Ein Land kann Güter importieren, um sie zu konsumieren. Aber es kann auch Güter importieren, um Investitionen zu tätigen." Im zweiten Fall könne ein mittelfristiges Minus in der Handelsbilanz langfristig zu Wirtschaftswachstum führen. Denn, wer Investitionsgüter kauft, "transferiert einen Wert in die Zukunft. Er kann in der Zukunft aus dieser Investition Rendite erzielen."

Ein großer Teil der deutschen Exporte sind Investitionsgüter - der Maschinen- und Anlagebau etwa gehört zu den wichtigsten deutschen Export-Branchen. Daher, meint Kolev, solle man Defizite, die im Handel mit Deutschland entstehen, "nicht unbedingt negativ interpretieren". Vielmehr sei zu "beachten, dass aus Deutschland sehr viele Maschinen und Anlagen importiert werden, die in den entsprechenden Ländern in Produktionsprozessen genutzt werden".

Wer ein Handelsbilanzdefizit beklagt, solle sich lieber auf die Suche nach den Gründen begeben: "Die Probleme entstehen nicht alleine dadurch, dass ein Land zu viel importiert. Sie entstehen aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Das muss man angehen. Nicht gegen die Exportstärke anderer Länder kämpfen, sondern die eigene Exportstärke stärken."

Was steht hinter der Kritik?

Beobachter vermuten hinter der aktuellen Kritik aus Washington nicht nur wirtschaftliche Motive. Selten waren die deutsch-amerikanischen Beziehungen so belastet wie zurzeit. Wahrscheinlich sind sie sogar vergifteter als 2002, als die damalige Bundesregierung den USA die Gefolgschaft beim zweiten Irak-Krieg verweigerte.

Die europäische Kritik an ihren Geheimdienstmethoden ist den Amerikanern ganz offenbar übel aufgestoßen. In Washington hält sich besonders das Verständnis für die deutschen Klagen über das Verhalten der US-Geheimdienste in engen Grenzen. Da muss der Zeitpunkt, zu dem das US-Finanzministerium die deutsche Wirtschaftspolitik scharf verurteilt, kein Zufall sein.