Vorbild Argentinien?
17. Juni 2011Die aktuelle Wirtschaftskrise in Griechenland und die "Krise des Peso", unter der Argentinien um die Jahrtausendwende gelitten hat, haben Gemeinsamkeiten. Auf den ersten Blick scheinen die Lösungsmöglichkeiten jedoch sehr unterschiedlich zu sein. Während die Regierung in Athen sich innerhalb der europäischen Währungsunion verantworten muss, hatte Argentinien durch eine eigenständige Währung das Steuer in der Hand. So war es der Regierung in Buenos Aires möglich, den argentinischen Peso zunächst an den US-Dollar zu koppeln und diese Bindung später aufzuheben, als man sich gezwungen sah, die Währung wieder abzuwerten und Kapitaltransferkontrollen einzuführen.
"Es gibt Argumente dafür und dagegen, dass Griechenland aus der Europäischen Währungsunion austritt und die Wirtschaftskrise so handhabt, wie es Argentinien getan hat. Der Wirtschaftswissenschaftler Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hält die Risiken eines solchen Schrittes für zu groß und kompliziert. "Währungsreformen tendieren dazu, eine schwache durch eine starke und sichere Währung zu ersetzen", so Gern. Im Fall Griechenlands könnte allerdings genau das Gegenteil eintreten. "Daher werden die Griechen eine neue Währung nicht akzeptieren, denn der Wert des Euro garantiert zukünftige Kaufkraft." Die Eurozone würde es verkraften, wenn Griechenland aus der Währungsunion ausscheiden würde, da es sich nicht um ein sehr großes Land handele. Allerdings stelle sich die Frage, welche Signalwirkung dies auf internationale Kapitalmärkte haben könnte. Wahrscheinlich würde darauf spekuliert, dass andere europäische Länder mit ähnlichen Problemen diesem Beispiel folgen. "Dies könnte dazu führen, dass durch eine Schwächung der wirtschaftlichen Union, auch die politische Stabilität der EU in Frage gestellt wird“, ergänzt Gern.
Argentinien, der Phönix
Aber besteht nicht dennoch die Möglichkeit, Lehren aus der dramatischen Krise der argentinischen Schulden für das mediterrane Land zu ziehen? Ansgar Belke, Professor für Makroökonomie und Direktor des Instituts für Wirtschaftsförderung (DIW) mit Sitz in Berlin, ist überzeugt, dass es möglich ist: "Was in Argentinien passiert ist, zeigt, dass ein Land in der Lage ist, sich nach einem Staatsbankrott zu erholen und auf den internationalen Finanzmärkten wieder eine Rolle zu spielen", so der Experte.
"Argentinien hatte Auslandsschulden auf rekordverdächtigem Niveau angehäuft", bemerkt Belke und betont, dass obwohl diese Entscheidung Probleme mit sich brachte, sie auf lange Sicht dem Wirtschaftswachstum des Landes zu Gute kam. "Die Wachstumsrate in Argentinien ist beachtlich in Anbetracht dessen, was passiert ist und vor dem Hintergrund, dass nach wie vor keine Einigung zwischen den Gläubigern und der Regierung in Buenos Aires erreicht wurde", schlussfolgert Belke. Seiner Meinung nach könne ein Schuldenschnitt für Griechenland vor allem auf symbolischer und materieller Ebene die Europäische Union stärken, um deren Zusammenhalt nicht zu gefährden.
Die Kürzung der Schulden als letzte Hoffnung?
"Ich war immer für einen Schuldenschnitt Griechenlands", sagt Belke. Der Schaden wäre nicht so groß, wie befürchtet werde. "Griechenland ist ein relatives kleines Land. Einige deutsche und französische Banken könnten ins Wanken geraten, was aber durch Eingriffe und Staatstransfers geregelt werden könnte." Anstelle der großen Kredite, die jetzt zusätzlich bewilligt werden müssten, sei das durchaus machbar. "Ein griechischer Schuldenschnitt wäre günstiger, als den Weg weiterzugehen, der derzeit verfolgt wird, um die Krise zu beenden", versichert Belke.
"Griechenland würde nur die Hälfte seiner Schulden zahlen, aber die Banken wären in der Lage, diese Last zu tragen, denn sie haben viel an den Zinsen verdient. Der Schuldenschnitt könnte dazu beitragen, dass Griechenland seine Kreditwürdigkeit wiedergewinnt und zu den Kapitalmärkten zurückkehrt. Weiterhin nur Kredite zu erhalten beinhaltet zu viele Nachteile", erläutert Belke. Wenn die Hoffnung als letztes aufgegeben wird, kann Griechenland diese vielleicht aus dem argentinischen Vorbild schöpfen.
Autor: Evan Romero-Castillo/ Nadja Wallraff
Redaktion: Mirjam Gehrke